Essen. . Bisher waren die Frauen die besten Kundinnen der Schönheits-Chirurgen. Doch nun ist ein Trend spürbar: Immer mehr Männer zieht es auf den Operationstisch. Sie lassen sich liften oder mit Botox die Zornesfalten glatt spritzen.

Das Schlupflied hängt, die Wampe auch, und die Zornesfalte nervt sowieso: Immer mehr deutsche Männer sind mit ihrem Aussehen unzufrieden und wagen deshalb den Schritt zu einer Schönheits-OP. Jeder fünfte Patient ist mittlerweile männlich. In den 1990er-Jahren war es nicht einmal jeder Zwanzigste.

Die Patienten sind die „Golden Boys“, Ende 40, beruflich erfolgreich und auf der Suche nach der verlorenen Jugend. Dr. Klaus Hoffmann kennt sie gut: die Männer, die sich unters Messer legen.

Er ist Leiter der Abteilung für ästhetisch operative Medizin am Uni-Klinikum im St.Josef Hospital Bochum. Von seinen Patienten ist sogar jeder Dritte ein Mann. Es werden von Jahr zu Jahr mehr. „Die beliebten Klassiker“, wie sie Hoffmann nennt, sind bei Botoxspritzen in die Stirn, Fett absaugen für den Waschbrettbauch, und die Beseitigung von Schlupflidern, die den Augen einen müden Eindruck verleihen.

Wer schön sein will, muss die möglichen Nebenwirkungen gewöhnlicher Operationen ertragen – und zudem ganz schön tief ins Portemonnaie greifen. Eine einmalige Botox-Behandlung kostet bei Fachärzten etwa 200 Euro, wen seine aufgequollenen Tränensäcke stören, muss 1400 Euro für einen Eingriff berappen, die „Bauch-Weg-OP“ ist je nach Hülle und Fülle für 2500 bis 6000 Euro zu haben. Hoffmann selbst schweigt zu konkreten Kosten.

Es gibt viel zu tun

Fest steht: Zu tun gibt’s genug. Im Winter müssen Hoffmanns Patienten bis zu drei Monate auf einen Termin warten. Im Sommer sind es nur einige Wochen. Denn wenn einem Mann mit Waschbärbauch Fett abgesaugt wird, muss er nachher rund 14 Tage einen Mieder tragen – kein wirkliches schönes Accessoire für einen Strandurlaub.

„Du siehst so entspannt aus. Warst du im Urlaub?“, wurde Hoffmann neulich gefragt, nachdem er sich selbst Botox spritzte. Das fühle sich gut an, sagt Hoffmann, und steigere das Selbstbewusstsein. Aber man dürfe Patienten nichts vormachen: „Ein hässliches Entlein, das stark unter seinen Schwimmringen leidet, kommt nicht plötzlich durch einen Operation wieder total gut im Leben zurecht. Die Psyche eines Menschen ist mit dem Skalpell nicht zu heilen.“

Seifen-Oper auf RTL 2

Ganz anders sieht das offenbar Prof. Dr. Werner Mang, Direktor der Bodenseeklinik für plastische und ästhetische Chirurgie in Lindau, eine der größten Schönheitskliniken Deutschland. Er unterstützt die mit neuen Folgen startende Reality-Soap „Extrem schön! Endlich ein neues Leben“ (RTL 2, 22.10 Uhr), in der Menschen zu starähnlichen Laufsteg-Schönheiten umoperiert werden. Das Format hat laut der Kommission für Jugendmedienschutz in der ersten Staffel einseitig und ausschließlich positiv über rein ästhetisch motivierte Schönheits-OPs berichtet.

Mang verteidigt „Extrem schön“. Den Protagonisten werde „nicht vermittelt, dass sie zu einem Star umoperiert werden, sondern dass ihnen geholfen werden soll, ein neues Leben anzufangen“. Das Format sei nicht reißerisch, sondern zeige „Seelenheil mit dem Skalpell“. Sein Bochumer Kollege Klaus Hoffmann hingegen hat für das Format nicht viel übrig. „Indiskutabel“ sei das, „grenzwertig“.

Lieber guten Wein

Doch die Sendungen werden geschaut. Das bleibt nicht ohne Wirkung. „Die Mehrheit meiner Patienten ist von diesen Formaten getrimmt. Die kommen vorbei und fragen: ‚Was können Sie mir empfehlen?“ „Ich“, sagt Hoffmann dann immer, „empfehle Ihnen einen guten Wein, sonst gar nichts.“ 30 bis 40 Prozent seiner Patienten-Wünsche müsse er ablehnen, etwa wenn eine Operation gemacht werden soll, „um eine Ehe zu retten“ oder statt die Ernährung umzustellen und Sport zu machen, „einfach regelmäßig fett abgesaugt werden soll“.

Laufen in Zeiten, in denen Schönheit käuflich ist, demnächst immer mehr strahlende „Einheitsmänner“ durch die Innenstädte? „Nein“, sagt Hoffmann, „Operationen müssen immer individuell sein und persönliche Markenzeichen berücksichtigen.“

Der Trend zur gekauften Schönheit wird anhalten. Der Hamburger Trendforscher Prof. Peter Wippermann prognostiziert, dass der Alterungsprozess in Zukunft entweder ein Zeichen von gesellschaftlichem Widerstand oder von Armut sein wird.