Die wahlberechtigten Bewohner Helgolands sind dazu aufgerufen, am Sonntag über eine Vergrößerung der Hochseeinsel abzustimmen. Bislang besteht Helgoland aus zwei Teilen, der Düne und dem roten Felsen. Die könnten miteinander verbunden werden.
40 Kilometer draußen in der offenen Nordsee, gerade 1,7 Quadratkilometer groß und 61 Meter hoch: Helgoland. Es ist die Insel, auf der das Deutschlandlied entstand, Fahrradfahren verboten ist und die letztes Jahr 300 000 Gäste lockte. Die Insel? Es sind ja zwei. Ein Felsen. Eine Düne. 1721 riss die Neujahrssturmflut beides auseinander. Am Sonntag werden die Helgoländer in einer Volksabstimmung entscheiden, ob es zur Wiedervereinigung kommen wird.
Eine 300 000 Quadratmeter große Sandbank soll dafür aufgeschüttet werden, vier Meter hoch über dem Meeresspiegel, damit auch der Klimawandel dem guten Stück nichts anhaben kann. Sie brächte, was Helgoland besonders fehlt: Bauland. Fünf neue Hotels und Strände sollen hier entstehen. Es soll wieder Geld in die Kasse fließen. Doch seit die Pläne bekannt sind, die auf den Hamburger Unternehmer Arne Weber zurückgehen, fegt ein neuer Sturm über das Eiland. Diesmal ein politischer.
Sören Conradi hat das Haus am Südstrand vor zehn Jahren gekauft. Er hat es völlig renoviert. Seine Kundschaft kann von dem Vier-Sterne-Garni-Hotel rübergucken auf die Düne. Ein schöner Blick. „Aber wenn hier lange Zeit eine Baustelle ist, wo bleiben die Gäste dann?“ Er hat sie befragt. So seien 80 Prozent skeptisch. „Sie haben mir gesagt: Wir lieben die Insel, wie sie ist.“ Sören Conradi will Nein sagen an diesem Wochenende, wenn die 1000 Helgoländer entscheiden dürfen. Er glaubt, dass die Insel „erst noch andere Potenziale nutzen muss, um gerettet zu werden“.
Um eine Art Rettung des Fleckens in der Nordsee geht es tatsächlich bei dieser Volksabstimmung. Da sind sich Gegner und Befürworter übrigens einig, wenn sie auch über das Wie streiten. Die jungen Leute gehen, die Einwohnerzahl sinkt und auch die der Gäste.
850 Meter lang und 300 Meter breit soll die Landbrücke sein
Um 1970 herum kamen noch 800 000 jedes Jahr. Schiffe und Börteboote, mit denen die Besucher zum Felsen gebracht werden, waren voll. Deutschlands Einheit brachte noch einmal ein Zwischenhoch. Heute, im Zeitalter der Billigflüge auf den anderen Südstrand namens Mallorca, kommen vor allem Tagesbesucher und holen sich – bis zu 430 Euro mehrwertsteuerfrei – „Parfum, hochwertige Spirituosen und Tabakwaren“, wie die Reederei Helgoline wirbt. Dann sind sie wieder weg.
In einem zynischen Beitrag hat die „taz“ die Lage beschrieben. Das Eiland sei die „Hölle“. Man laufe dort mit „roten Köpfen“ herum. „Wie kann es sein, dass dort eine so absurde Mixtur aus Ökologen und Suchtkranken existiert?“ Als „böse“ weist Helgolands Bürgermeister Jörg Singer solche Berichte vom „Fuselfelsen“ zurück. Sie seien „beschimpfend und besudelnd“.
Auch Arne Weber stören die Angriffe. Er denkt lieber konstruktiv und deshalb hat er den Plan von der großen Insel entworfen. 850 Meter lang und 300 Meter breit soll die Landbrücke sein, sechs Meter über dem felsigen Meeresgrund angekippt und 100 Millionen Euro teuer. Sie soll für eine Imageänderung sorgen. Weg von der „Schnaps- und Zigaretteninsel“. Hin zu „ganz neuen Touristengruppen“. Kein Sylt will er, sagt er, und keine Hochhäuser. Aber es müsse was für die entstehen, die Strand, Sonne, die allergiefreie Luft und die Natur lieben. 350 Robben und Seehunde gibt es dort und neben der „Langen Anna“, dem markanten Wahrzeichen, Trottellummen und Dreizehenmöwen.
Der parteilose Bürgermeister Singer, der aus Konstanz kommt, sowie sein Kurdirektor aus Garmisch, sprechen von einem „bedeutenden Meilenstein in der Geschichte Helgolands“. Für ein „intaktes Inselleben“ brauche man „wesentlich mehr Bürger, Gäste und Betriebe“. Das könne die Anschüttung bringen.