Erfurt.. Marco K. betrachtete den Sender als SB-Laden. Zum Prozessauftakt legte er ein Geständnis ab. Vielleicht klärt der Prozess auch, wie es zum größten Betrug bei den Öffentlich-Rechtlichen kam.

Im größten Betrugsskandal des gebührenfinanzierten Fernsehens hat der Angeklagte vor dem Landgericht Erfurt ein Geständnis abgelegt. Ob der medienpolitische Vorzeigesender Kinderkanal (Kika) von den veruntreuten Millionen auch nur einen Bruchteil wiedersieht, steht dahin. Der Ex-Herstellungsleiter Marco K. hat gegenüber ARD und ZDF Schulden von mehr als sechs Millionen Euro schriftlich anerkannt, will aber zugleich sein Vermögen verjuxt haben.

Der 43-Jährige soll den Kika zwischen 2002 und 2010 um insgesamt 8,2 Millionen Euro betrogen haben – mit Hilfe von Scheinrechnungen für mehrere Firmen. Das Gericht klärt jedoch nur Vorwürfe, die sich nach 2005 ereigneten. Frühere Vorfälle sind verjährt.

Entschuldigung bei Freunden, Kollegen

Der in Thüringen weithin bekannte Medien-Mann entschuldigte sich zunächst: „Ich bedaure zutiefst, dass ich das Vertrauen meiner Mitarbeiter und Vorgesetzten missbraucht und meinen Freunden und der Familie nicht von den Problemen erzählt habe.“ Der frühere Sender-Vize gestand vor Gericht, neben seinem Vermögen die veruntreuten Kika-Millionen in Casinos verspielt zu haben: Die Vorwürfe seien „voll umfänglich zutreffend“. Und: „Ich habe alles verspielt, was ich in die Hände bekam.“

Seine Spielsucht begründete der Kika-Zocker in einer halbstündigen Erklärung mit angeblichem Frust bei der Arbeit. Das Klima sei rau gewesen, der Umgang brutal, die Vorschriften des federführenden MDR praxisfern. Zudem habe er sich überfordert gefühlt, den 1997 gegründeten Sender fast im Alleingang aufzubauen. Ein schlechtes Gewissen beim Verjubeln der Gebührengelder hatte Marco K. nach eigenem Bekunden nicht. Er sei ermuntert worden, den Sender-Etat voll auszureizen, um keine Diskussion um Kürzungen aufkommen zu lassen.

Er hatte Erfahrung, war bestens vernetzt

Ob das Gericht seine Ausführung glaubt? Marco K. war zwar beim Kika ein Mann der ersten Stunde. Unerfahren war er nicht. Er kam vom früheren DDR-Fernsehen – und war bestens vernetzt. Der Vize erlebte drei Chefs. Marco K. blieb, seine Macht wuchs. Seine Rechnungen seien inhaltlich kaum zu kontrollieren gewesen, sagte er vor Gericht. Allerdings hatte Marco K. auch leichtes Spiel. Das geht aus dem Revisionsbericht zum Kika-Skandal hervor. Demzufolge baute Marco K. ein Kontrollsystem auf, das in etwa so funktionierte, als müsste ein Hund die Würste einer Metzgerei bewachen – „ein Kontrollumfeld in Kika und MDR, das die Schwachstellen im internen Kontrollsystem hat entstehen lassen“, wie die Revisoren in schönster Juristen-Prosa befanden. Hinweise auf Unstimmigkeiten seien abgebürstet worden.

Was wusste der damalige Sender-Chef Frank Beckmann?

Gilt das auch für Frank Beckmann, der als Kika-Chef von 2002 bis 2008 am längsten mit Marco K. zusammenarbeitete? Zumindest von der Spielsucht seines früheren leitenden Angestellten will der heutige NDR-Fernsehchef nichts gewusst haben. Dem gebürtigen Essener konnte die Kika-Affäre bisher nichts anhaben.

Im Gegensatz zu MDR-Verwaltungschef Holger Tannhäuser: Er ging. Auch der vorzeitige Rückzug von MDR-Intendant Udo Reiter gilt als indirekte Reaktion auf die Kika-Affäre. Der Fall verhagelte dem 67-Jährigen so sehr die Stimmung, dass er die Feier zum 20-Jährigen des MDR abblies.