Mülheim..

Der Historiker Günter Bäbler stöberte in Mülheimer Akten und bestätigt, dass eine Firma aus Benrath maßgeblich am Bau des wohl berühmtesten Passagierschiffs der Welt beteiligt war: Sie lieferte 1908 den Kran, der die Titanic bestückte.

Sie riss fast 1500 Menschen in den Tod, hatte zu wenig Rettungsboote und stand Pate für einen der erfolgreichsten Filme aller Zeiten. Die Geschichte ist bekannt? Diese nur bei Insidern: Ohne einen Schwimmkran aus Benrath hätte die Titanic gar nicht gebaut werden können.

Der Benrather Schwimmkran kam 1907 nach Belfast. Repro und Archiv: ost/PiLi
Der Benrather Schwimmkran kam 1907 nach Belfast. Repro und Archiv: ost/PiLi © Unbekannt | Unbekannt

Heute vor einhundert Jahren lief die Titanic vom Stapel. Ihr 20 000 Tonnen schwerer Stahlrumpf glitt erstmals ins Wasser. Fast genauso lange blieb unentdeckt, was der Schweizer Historiker Günter Bäbler vor einigen Jahren in Mülheim an der Ruhr aufspürte. Eine Geschichte, die eine Verbindung der größten Schiffskatastrophe in Friedenszeiten direkt an den Niederrhein spinnt. Das berühmteste Schiff der Welt wurde mit Hilfe eines deutschen Schwimm­krans gebaut. Das belegen die verstaubten Akten im Mülheimer Mannesmann-Archiv. Und vor einhundert Jahren schwenkte er seinen Ausleger erstmals über die Decks der Titanic. Bis zur Konzernzerschlagung durch Vodafone gehörte Demag zur


Mannesmann AG.

„Es hielt sich über Jahrzehnte hartnäckig das Gerücht, dass der Kran, den man auf den zahlreichen Bildern vom Bau der Titanic sehen kann, aus Deutschland stammt. Mittlerweile wissen wir, dass es stimmt“, sagt Bäbler. Und auch, wer den Kran gebaut hat: Die Benrather Maschinenfabrik AG, heute unter Demag bekannt, lieferte 1908 den größten Schwimmkran der Welt zur Werft Harland & Wolff ins nordirische Belfast.

„Die Titanic war mit 269 Metern das größte Schiff der Welt. Fast sechzig Meter länger als der nächst größte Liner. Das Benrather Unternehmen war ja auf solche Kräne spezialisiert.“ Mit ihm wurde der leere Rumpf ausgestattet. Er hob die Generatoren ins Schiff, an denen die Elektriker beim Untergang bis zum bitteren Ende ausharrten, um das Licht für die Rettungsaktionen in Gang zu halten. Er setzte die tonnenschweren Dampfkessel ein, die den Ozeanriesen erst antrieben. Und er hob auch die vier Schornsteine auf das oberste Deck, von denen mindestens einer beim Untergang umknickte und eine ganze Menschengruppe unter sich begrub.

Die Installateure erhielten die Erlaubnis, über dem fertigen Kran die kaiserliche Flagge zu hissen, wenn die Arbeiten noch in der festgelegten Zeit beendet werden konnten. „Und so geschah es“, weiß Bäbler aus den Dokumenten. „Die Flagge wehte kurze Zeit später über Irland. Die heimischen Arbeiter sollen die Fahne mit gemischten Gefühlen beobachtet haben. Das war ja politisch brisant, wenn man be­denkt, dass man wenige Jahre später in einen Weltkrieg ge­gen Deutschland zog.“

Einer, der den Kran kennt, ist George McAllister. Der heute 90-jährige ehemalige Werftarbeiter hat das Arbeitsgerät täglich gesehen. Es wurde bei Harland & Wolff noch bis in die 70er Jahre benutzt. „Es war ein beeindruckendes Gerät, über vierzig Meter hoch. Soweit ich mich erinnere, konnte er Lasten bis zu einem Gewicht von 150 Tonnen tragen.“ Neben dem Schiffsbau sei er auch in der Stahlbausparte der Werft eingesetzt gewesen und habe beim Installieren von Brückenteilen geholfen.