Washington. . Dutzende Menschen starben, über 2000 Häuser wurden zerstört. Doch die Meteorologen in Missouri geben keine Entwarnung: Sie rechnen mit neuen Stürmen
Mannsdicke Bäume, entwurzelt wie Streichhölzer, eine Ruinen-Landschaft, wohin man blickt – Joplin, eine kleine Stadt in Missouri mit rund 50 000 Einwohnern, ist über weite Teile nur noch ein Trümmerhaufen. 89 Tote wurden bislang gezählt. Es ist eine vorläufige Schätzung. Mit unvorstellbarer Kraft war ein Monster-Tornado am späten Sonntag Nachmittag über Missouri im Herzen Amerikas gefegt.
Als der Sturm abzog, waren rund 2000 Gebäude zerstört. Eines der beiden Krankenhäuser der Stadt wurde voll getroffen. Nur ein paar Minuten blieb Schwestern und Ärzten Zeit, um die 367 Patienten aus den Zimmern zu holen und sie auf den Fluren in Sicherheit zu bringen. Als der Tornado das neunstöckige Gebäude packte und durchrüttelte, splitterten alle Fensterscheiben in einem unglaublichen Knall.
Autowracks in einem wüsten Knäuel aus zerborstenem Metall
Doch das ganze Ausmaß der Zerstörung zeigte sich erst am Montag, als die Sonne durch den nach wie vor sturmdunklen, verregneten Himmel lugte. Überall lagen Autowracks in einem wüsten Knäuel aus zerborstenem Metall. Helfer suchten in den Trümmern nach Überlebenden.
Zerborstene Gasleitungen fackelten immer neue Brände in der Stadt an. Der Tornado hatte in Joplin, dem Ground Zero, eine kilometerlange und rund 800 Meter breite Schneise mitten durch die Stadt geschlagen. „Es lässt sich nicht mehr erkennen, was einmal auf der anderen Straßenseite war“, sagte eine Anwohnerin sichtlich erschüttert. „Alles ist weg, die Kirchen, die Schule, der Supermarkt.“ Noch in 100 Kilometer Entfernung wurden Krankenakten und Röntgenbilder gefunden, die der Monster-Sturm aus Joplins Krankenhaus mitgerissen hatte.
20 Minuten Vorwarnzeit
Lediglich 20 Minuten betrug die Vorwarnzeit, als der Tornado mit zunächst dumpfem Grollen, das sich infernalisch steigerte, heranbrauste und die Stadt mit voller Wucht traf.. Zu kurz war die Warnzeit für viele Menschen, die keine Zeit mehr hatten, sichere Unterkünfte aufzusuchen. „Die Bilder erinnern an den Weltkrieg und seine Bombenangriffe“, sagte Schulleiter Kerry Sachetta vor dem zertrümmerten Gebäude. „Soviel Zerstörung – ich kann nicht glauben, was ich hier sehe.“
Nicht nur die schlichten Fertighäuser aus Spanplatten, sondern auch gemauerte Häuser aus Stein hatte der Sturm zerstört, als wären sie aus Papier. Einen Appartement-Komplex riss der Tornado aus seinen Fundamenten und verschob ihn um ein paar Meter. Erprobten Katastrophenhelfern verschlug es angesichts dieser Zerstörungen fast die Sprache. „Ich habe schon viel gesehen, aber niemals etwas Vergleichbares wie hier“, sagte Michael Spencer vom Roten Kreuz. Missouris Nationalgarde aus insgesamt 11 000 Mann stand gestern bereit, um bei den Aufräumarbeiten in diesem Katastrophengebiet zu helfen.
Verletzte werden in der Memorial Hall behandelt
In Joplins Memorial Hall, wo sonst Konzerte stattfinden oder Bingo gespielt wird, wurden die vielen Verletzten in der Nacht behandelt. Weil Betten fehlten, wurden die Verletzten provisorisch auf Holzplanken gelegt. Im Laufe des Tages konnten sie dann auf Krankenhäuser in der Umgebung verteilt werden.
„Als ich aus dem Haus kam, war ringsum nichts mehr da“, sagte Jeff Lehr, ein Reporter der Lokalzeitung. Überlebt hatte Lehr in einem Kleiderschrank seines Hauses, in den er sich geflüchtet hatte, als die Fensterscheiben zersplitterten. „Es war so ein unglaublicher Lärm. Und ich hörte, wie alles wegflog.“ Die Opferzahl der diesjährigen Tornado-Saison schnellt immer weiter in die Höhe. Erst vor kurzem hatte eine ganze Serie von Tornados in Alabama gewütet und 300 Menschen das Leben gekostet. Auch Joplin war gestern noch nicht außer Gefahr. Die Meteorologen kündigten neue Stürme an.