Ruhrgebiet. . Verbraucher haben nach der Atomkatastrophe Angst vor verstrahltem Sushi, japanische Restaurants sind um Aufklärung und Beruhigung bemüht. Denn: Die meisten Zutaten kommen gar nicht aus Japan.
Die Deutschen mögen kein Sushi mehr. Fukushima schlägt ihnen auf den Magen. Seit der Reaktorkatastrophe haben viele Menschen Angst vor Reis mit Fisch. Könnte ja verstrahlt sein. Japanische Restaurants und Ernährungsexperten haben viel damit zu tun, die Verbraucher behutsam zurück zu den Stäbchen zu führen. Sie räumen Verunsicherungen aus dem Weg, erklären, dass kaum eine Zutat jemals japanisches Land gesehen hat und kein Fischfilet japanisches Gewässer.
Ein Sushi-Restaurant in Bochum: An einem Abend im Februar ist hier so ziemlich jeder Tisch belegt. Fukushima kennt keiner. An einem Abend Mitte Mai ist hier so ziemlich jeder Tisch frei. Fukushima kennt jetzt jeder.
Zwei Gäste fischen Reisröllchen von ihren Tellern. Das kann Zufall sein. Doch der Kellner sagt: „Wir spüren schon, dass die Lust auf Sushi nachgelassen hat.“ Beziffern mag er den Kundenrückgang nicht, „aber seit der Katastrophe ist weniger los“. Er bedauert, dass die Verbraucher es sich einfach machen. Sie würden unterstellen, dass alles in einer Sushi-Küche zwangsläufig aus Japan importiert wird.
Tatsächlich kommen die Zutaten für Sushi zwar aus aller Welt, doch fast nie aus Japan. Laut Verbraucherschutzministerium sind im vergangenen Jahr nur 60 Tonnen Fisch von dort importiert worden. Insgesamt aber wurden rund 900 000 Tonnen Fisch aus dem Ausland nach Deutschland geschickt, vor allem aus dem Nordatlantik.
Die Zahl aller nach Deutschland importierten Lebensmittel aus dem ostasiatischen Land liegt bei 0,1 Prozent – fast bei null. „Bislang ist keine erhöhte Strahlenbelastung der Japan-Importe festgestellt worden“, heißt es aus dem Ministerium.
Kein Grund für Japanik.
Auch der Bundesverband der Deutschen Fischindustrie gibt Entwarnung. Selbst von Pazifikfisch wie Seelachs gehe keine Gefahr aus. Die Fanggebiete lägen weit genug entfernt vom Unglücks-Reaktor, und der Zoll habe aktuell ein noch wachsameres Auge als sonst auf die japanischen Lebensmittel-Importe. Matthias Keller, Geschäftsführer des Bundesverbands, sagt: „Alle Erzeugnisse können ohne Sorgen verzehrt werden.“
Das sehen Umweltschützer anders. Gerade jetzt. Ende Mai beginnt in den Küstengewässern vor der Unglücksstadt Fukushima die Algenernte. Laut Greenpeace haben Radioaktivitätsmessungen an Algen vor Japans Ostküste zuletzt hohe Kontaminationen ergeben. Zehn von 22 Proben hätten um mehr als das Fünffache erhöhte Belastungen aufgewiesen.
Die einen nennen es „Panikmache“, andere sprechen von einem „Luxusproblem“ der Deutschen. „In Japan ist die Angst der Menschen berechtigt. Aber doch nicht hier“, sagt eine freundliche Japanerin („Nennen Sie mich Mama-san“), die das Restaurant „Kyoto“ in der Dortmunder Innenstadt führt. Sie stellt fest, dass Fukushima ihre Gäste vorsichtig macht: „Viele fragen mich, woher der Reis oder die Sojasoße kommen.“ Und? „Der Reis kommt aus Kalifornien, die Sojasoße aus Holland. Deutschland ist so streng mit seinen Lebensmitteln, da muss keiner Angst haben.“
Nutzt alles nichts. Ein Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands in Düsseldorf stellt fest: „Die Hysteriefähigkeit der Verbraucher ist beachtenswert. Da verhält es sich mit Sushi wie mit anderen Lebensmitteln in Krisenzeiten.“