Frankfurt/Main. . Ein Streit um die Auszahlungsweise von Hartz-IV-Leistungen war offenbar der Auslöser der Randale in einem Frankfurter Jobcenter, bei der am Donnerstag eine 39-Jährige starb. Die Frau hatte einen Polizisten mit einem Messer angegriffen.

Eine 39 Jahre alte Frau ist am Donnerstag nach einem Streit in einem Jobcenter in Frankfurt am Main von einer Polizistin niedergeschossen worden und wenig später im Krankenhaus gestorben. Die Frau hatte zuvor einen Polizisten mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt, wie die Polizei mitteilte. Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei stritt die Frau mit einem Sachbearbeiter des Jobcenters darüber, ob ihr Leistungen nach Hartz IV bar ausgezahlt oder überwiesen werden. Der Vorfall ereignete sich in einer Außenstelle für besondere Personenkreise, in dem das Rhein-Main-Jobcenter speziell Wohnungslose und Flüchtlinge betreut.

Ein Polizeisprecher sagte, der hauseigene Sicherheitsdienst des Jobcenters habe gegen 8.50 Uhr die Polizei alarmiert: "Demnach wollte eine Kundin nach einem Streit mit einem Mitarbeiter das Haus nicht verlassen. Sie randalierte und störte den Betrieb." Als die Streifenbeamten die Frau nach ihrem Ausweis fragten, zog sie ein Messer aus ihrer Handtasche. Damit stach sie einem 30 Jahre alten Polizisten in den Bauch. Seine 28-jährige Kollegin schoss daraufhin auf die Angreiferin. Der Schuss traf die junge Frau in den Bauch.

Zustand des Polizisten ist stabil

Etwa eineinhalb Stunden später erlag die Frau im Krankenhaus ihren Verletzungen. Der Zustand des verletzten Polizisten sei stabil, sagte der Sprecher. Neben mehreren Stichen in den Bauch zog er sich einen Schnitt am Arm zu, als er die Angreiferin abwehren wollte. Er sollte nach Möglichkeit noch am Donnerstag vernommen werden. Seine Kollegin, die den Schuss abgab, stand unter Schock.

Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt berichtete, stammte die getötete Frau aus Nigeria, war aber mit einem Deutschen verheiratet und im Besitz eines deutschen Passes. Bis Ende April wohnte sie demnach in Aschaffenburg, seit dem 1. Mai in einer Wohnung in der Frankfurter Innenstadt. Wieso sie dann in der vergangenen Woche bei der Außenstelle für Wohnsitzlose und Flüchtlinge des Jobcenters Hartz IV beantragte, ist unklar. Am Donnerstag kam sie wohl in der Hoffnung dorthin, ihre Leistungen in bar mitnehmen zu können. Als der Sachbearbeiter sagte, das Geld werde überwiesen, beschwerte sie sich lautstark und beschimpfte das Personal.

LKA hat Ermittlungen übernommen

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt sagte, das Messer der Angreiferin habe eine elf Zentimeter lange Klinge. Zur Art des Messers konnte er keine Angaben machen. Der Leichnam der 39-Jährigen wurde noch am Donnerstag obduziert. Mit dem vorläufigen Ergebnis rechneten die Ermittler für Freitag.

Die Polizei vernahm im Anschluss an den Vorfall mehrere Mitarbeiter und weitere Kunden des Jobcenters. Davon erhofft sie sich Hinweise zum Tathergang. Anders als anfänglich berichtet, ereigneten sich der Streit und die Schießerei nicht in einem Großraumbüro, sondern in einem Einzelbüro eines Sachbearbeiters.

Das Landeskriminalamt übernahm die Ermittlungen. Dies ist der Normalfall, wenn Polizisten im Dienst Menschen verletzen oder töten.

Eine Sprecherin des städtischen Sozialdezernats sagte, die Mitarbeiter des Jobcenters, zur Hälfte von der Stadt und zur Hälfte von der Bundesagentur für Arbeit entsandt, seien geschockt. Vor einer solchen eskalierenden Situation hätten alle Mitarbeiter Angst. Andererseits wisse jeder mit Kundenkontakt, der auch für die Betroffenen unangenehme Entscheidungen mitteilen müsse, dass Situationen entgleisen könnten. Entsprechend würden die Mitarbeiter in Deeskalation geschult. Zu ihrem eigenen Schutz trügen sie schrille Pfeifen bei sich.

Vom Jobcenter Frankfurt war am Donnerstag keine Stellungnahme zu erhalten. Die Geschäftsführung beantwortete generell keine Presseanfragen.

Polizei darf Dienstwaffe in Notwehrsituationen einsetzen

Der Einsatz von Schusswaffen bei der Polizei ist jeweils in Ländergesetzen geregelt. In Hessen, wo es zu dem tödlichen Schuss in einem Frankfurter Jobcenter kam, sind die Regelungen im Hessischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) aufgelistet.

Demnach darf ein Polizist seine Waffe in einer Notwehrsituation einsetzen - zum Schutz des eigenen Lebens oder wenn andere Menschen gefährdet werden. So heißt es in Paragraf 61 des HSOG unter anderem: „Schusswaffen dürfen gegen Personen nur gebraucht werden, um eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben abzuwehren“. Erlaubt ist weiterhin der Einsatz der Dienstwaffe, wenn ein unmittelbar bevorstehendes Verbrechen verhindert werden soll. Auch wenn ein Täter auf der Flucht ist, darf unter bestimmten Umständen geschossen werden.

Diese Regelungen sind in den einzelnen Bundesländer sehr ähnlich oder identisch. In einigen Ländern gibt es zudem explizite Festlegungen zum sogenannten finalen Rettungsschuss - also einem gezielten, tödlichen Schuss etwa zur Rettung einer Geisel. (dapd)