Teheran. . Sie wies einen Verehrer ab und wurde Opfer eines Säure-Anschlags. Morgen darf eine Iranerin ihren Peiniger blenden
Fast drei Jahre hat Ameneh Bahrami auf diesen Moment gewartet und trotzdem kommt der Anruf aus Teheran letztendlich überraschend für sie. Am anderen Ende der Leitung ist ein Sprecher der iranischen Justizbehörden. „Sie dürfen das Urteil vollstrecken“, teilt er der 31-jährigen Frau in knappen Worten mit. Heute um 12 Uhr darf Bahrami deshalb im Justizkrankenhaus von Madschid Mowahedi mit Säure das Augenlicht nehmen – mit der gleichen Säure, mit der dieser Mann sie im Herbst 2004 bei einem heimtückischen Anschlag überschüttete und für den Rest ihres Lebens entstellte.
Bahrami ist 24 Jahre alt, studiert Elektrotechnik in Teheran und führt ein unbeschwertes, glückliches Leben. Bis Mowahedi, ein Mitstudent, sich in sie verliebt, sie heiraten will. Er macht ihr einen Antrag. Sie weist ihn ab. „Ich werde demnächst einen anderen heiraten. Lass’ mich in Ruhe und konzentriere dich auf dein eigenes Leben“, sagt sie ihm.
Der heute 27-Jährige rennt davon, drei Tage später lauert er ihr in einem Stadtpark auf. Die Schwefelsäure, die der Attentäter über Ameneh Bahrami vergießt, zerfrisst das Gesicht der schönen, jungen Frau und raubt ihr das Augenlicht. Sie erleidet Verbrennungen an Brust, Gesicht, Armen und Händen – die Säure greift auch die Speiseröhre und innere Organe an.
Nach mehreren Operationen in Teheran wird das Opfer in eine Spezialklinik nach Barcelona verlegt. „Sie war eine erstaunliche Patientin“, erinnert sich die behandelnde Ärztin. „Sie kam aus einem fremden Land, blind, verstand kein Wort Spanisch. Sie wollte nur eins, wieder sehen können.“ Ein Wunsch, der sich bisher nicht erfüllt hat.
Zwei Wochen später stellt sich Majid Movahedi den Behörden. In einem Gerichtsverfahren erstreitet sich sein Opfer im Jahr 2008 das Recht, den Peiniger zu blenden. Auf beiden Augen sogar. Ursprünglich hatten die Richter ihr nur ein Auge des Täters zugestanden. Weil nach islamischem Recht zwei Augen einer Frau nur ein Auge eines Mannes wert sind. „Qisas“ nennt die Scharia diese Art der Vergeltung, die der Iran 1982 in sein Strafrecht übernahm.
In ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Buch „Auge um Auge“ (riva Verlag) ließ Ameneh Bahrami die Vollstreckung dieses Urteils noch offen. Mittlerweile aber scheint sie sich entschieden zu haben, Vergeltung zu üben. Auch wenn Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi versucht hat, sie umzustimmen und ihr Großvater eindringlich mahnt: „Den Wettstreit um die Menschlichkeit gewinnt, wer verzeiht. Nicht der, der nimmt oder zerstört.“ Doch das ist der jungen Frau egal: „Der das getan hat, soll denselben Schmerz erleiden wie ich.“
Anschlag befürchtet
Ihr Bruder wird die junge Frau heute mit dem Auto zu dem Justizkrankenhaus fahren. Eine Stunde vor dem Vollstreckungstermin soll sie dort sein. Bis es soweit ist, hat ein Sprecher der iranischen Justizbehörden ihr geraten, die Öffentlichkeit zu meiden und unterzutauchen, um einem möglichen Mordanschlag durch Angehörige des Delinquenten zu entgehen. Bevor Ameneh Bahrami ihrem Attentäter die Säure in die Augen tropfen darf, wird der Mann eine Narkose bekommen. „Er wird keine Schmerzen haben. Sein Gesicht wird nicht entstellt.“ Aber „irgendwann wird er schreien. Wenn er wieder aufwacht. So, wie ich jeden Morgen schreie, wenn ich meine Augen öffnen möchte und es nicht kann“, schreibt sie in ihrem Buch.
„Ich bin sicher, dass ich das Urteil vollstrecken werde. Ich möchte nicht, dass sich so eine Tat noch einmal wiederholt. Das ist keine Vergeltung, sondern eine Lehre.“