London. . Der Tag vor dem großen Tag: Ganz London ist im Hochzeitsfieber. Ein Streifzug durch die Straßen, vorbei an aufgeregten Touristen, an Doppelgängern und Campern. Unentschlossen erscheint nur das Wetter.
Hochzeitsfieber ist eine schlimme Sache. Doch die Briten wissen gut, wie man Panik versteckt. Die Stunden bis zur größten Hochzeit des Jahrzehnts haben noch einmal alle Beteiligten gefordert. Wer sich heute über eine müde blickende Kate Middleton wundert und rätselt, wer überhaupt an der Uhr gedreht hat, der findet hier die Antwort im finalen Countdown.
Donnerstag, 8 Uhr, Beeston Place. Die Tageszeitungen titeln „Kates letzter Tag in Freiheit“. Aber was für eine Freiheit ist das? Rund 30 Paparazzi belagern die improvisierte Straßensperre am Goring Hotel, wo die Middletons sich einquartiert haben. Ein Blumenlieferant, der zwischen dem prüfenden Blick der Polizei und dem hysterischen Klicken der Digitalkameras gefangen ist, macht ein unglückliches Gesicht. Die Schnappschuss-Jäger sind groß, tragen Cargohosen wie beim Militär. Ihr Ziel: Kate.
9.35 Uhr, Alarm im Souvenirladen am Buckingham Palace: Draußen klappern Pferdehufe die Straße entlang. Touristen stürmen aus dem Laden, zücken die Kameras. Zwei Kutschen im Konvoi gen Buckingham Palast. Ein kollektiver Seufzer ertönt. Auch der Verkäufer seufzt, nur in anderer Tonlage. Er rennt den Kunden hinterher, die jetzt verzückt schauen, wie die Kutschen formvollendet bremsen: „Sir, Sir, möchten Sie bitte den Teller noch gern bezahlen?“
9.40 Uhr. Der Souvenirladen entpuppt sich als ideale „Royal Watching“-Warte. Eine Polizei-Eskorte prescht heran, sperrt die Kreuzung, es folgen ein grüner Landrover, wie er in der Hausauffahrt der Middletons gesehen wurde, und eine Reihe verspiegelter Limousinen. Um 9.52 Uhr betritt Kate Middleton mit Schwester, Mutter und Prinz Harry die Westminster Abbey zum letzten Probelauf.
9.55 Uhr, vor dem Palastbalkon. Wo Kate und William sich vor Millionen Menschen küssen werden, stehen zwei geduldige Doppelgänger. Die falsche Kate wird von einer Fernsehmoderatorin interviewt, der falsche William bespaßt Touristen.
11 Uhr, Westminster Abbey. Seit zwei Tagen zeltet Mark Farrow hier, um den besten Blick zu ergattern. Jetzt ist er völlig aus dem Häuschen, weil die Middleton-Eskorte gerade vorbei gebraust ist. „Ich werde die Hochzeit mit eigenen Augen sehen“, sagt er, „das ist völlig wahnsinnig – ich werde jubeln, schreien und die Fahne schwenken wie verrückt.“ In der Nacht waren es 8 Grad, was die Dutzenden Camper aber nicht abschreckt.
Mutters Kleiderfrage
11.05 Uhr, der Bürgersteig vor der Abbey. Das Pazifisten-Protestcamp ist immer noch da. Weder Bürgermeister noch Gerichtshöfe haben die Zeltstadt der langjährigen Anti-Kriegs-Demonstranten verbieten können. Zwei Milliarden Fernsehzuschauer werden also auf die ungebetenen, aber herrlich skurrilen Zaungäste blicken, wenn die Hochzeitskutsche vorbeirauscht.
. E-Mail vom Außenministerium. Der Botschafter Syriens wird 24 Stunden vor Beginn der Trauung wieder ausgeladen: „Im Licht der Übergriffe auf syrische Zivilisten wäre seine Präsenz inakzeptabel“, heißt es. Auch anderswo liegen die Nerven blank: Brautmutter Carole Middleton hat sich in letzter Minute gegen ihr geplantes Outfit entschieden und will „umdisponieren“
13 Uhr. Der Palast veröffentlicht den Ablaufplan des Traugottesdienstes. Jetzt ist leider eine Menge Luft raus! Das Schlusslied von Dianas Beerdigung soll Auftakt der heutigen Zeremonie sein. Morbide? Rührend?
15.30 Uhr. Sonne, Wolken, Sonne, Wolken, aber noch kein Regen. Das Wetter ist unentschlossen, zur Trauung könnte es gar gewittern und stürmen. Was fantastisch wäre, denn: Bei schlechtem Wetter kommt die Glaskutsche zum Einsatz, das wohl romantischste Gefährt im Fuhrpark der Queen.
16 Uhr. Britische Medien landen den wohl letzten Knüller vor dem großen Tag: Kates Schwester soll darauf bestehen, eine Diskokugel im Buckingham Palast aufzuhängen – für die Party am Abend. Derweil läutet die Stadt den Feierabend ein, hektisch, aber doch eine Spur beschwingter als sonst. Heute, am Freitag, werden Touristen geschätzte 60 Millionen Euro in London ausgeben. In der Wirtschaftskrise ist das fast wie ein Hochzeitsgeschenk.