Washington.. Während ihr Mann Richtung Weltall startet, kämpft sich Gabrielle Giffords nach einem Attentat zurück ins Leben

Ein solches Interesse hat die NASA nicht mehr erlebt seit den großen Tagen der Apollo-Starts. Doch nicht der vorletzte Start eines Space Shuttles wird am Freitagnachmittag (Ortszeit) Millionen von Amerikanern Daumen drückend vor die Fernsehschirme locken. Die allermeisten hoffen bei der Live-Übertragung des letzten Starts der „Endeavour“ einen Blick auf Gabby zu erhaschen, wie die ganze Nation Gabrielle Giffords inzwischen nennt.

Persönlicher Triumph

Von einer Loge aus wird „Gabby“ Giffords zusehen, wie ihr Ehemann Mark Kelly an Bord des Shuttles in Richtung Weltraum abhebt. An diesem spektakulären Tag dabei sein zu können, ist für sie ein ganz persönlicher Triumph. Diese Ziellinie geschafft zu haben, wird ihr bei dem Kampf zurück ins alte Leben helfen.

Vor gut drei Monaten hatte ein geistig wirrer Attentäter der demokratischen Kongress-Abgeordneten aus Arizona bei einer Bürgerversammlung auf offener Straße und aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. Dass sie die Verletzung überlebte, war das erste von einer ganzen Reihe medizinischer Wunder. Amerika hat seit jenem Tag im frühen Januar mit ihr gebangt und die 40-Jährige in seine Gebete eingeschlossen.

Symbolfigur für den Ruf nach mehr Anstand

Im politisch vergifteten Klima des Landes ist Gabrielle Giffords längst zu einer Symbolfigur für den Ruf nach mehr Anstand und Respekt geworden. Selbst das „Time“-Magazin hat Giffords in seine gerade veröffentlichte Liste der 100 bedeutendsten Persönlichkeiten aufgenommen. Kein Geringerer als Barack Obama schrieb die Würdigung. Der US-Präsident nannte sie eine „benötigte Stimme, die nicht schnell genug zurückkommen kann“. In Cape Canaveral werden sich die beiden sehen. Ein Comeback wird, trotz des Trips ins NASA-Raketenzentrum in Florida, indes noch seine Zeit brauchen. Politische Zukunftspläne, die Parteifreunde für Giffords bereits voreilig schmiedeten, sind auf Eis gelegt. „Wäre eine triumphale Rückkehr nicht wunderbar? Ja. Aber es wäre unfair, sie mit zu hohen Erwartungen zu belasten“, sagt ihre Büroleiterin Pia Carusone entschieden. „Sie will zurück nach Washington“, weiß Ehemann Mark Kelly. Unmittelbar nach dem Start der „Endeavour“ mit Mark als Kommandanten an Bord wird Giffords wieder in den Alltag ihrer Reha-Klinik in Texas zurückkehren. Ein öffentlicher Auftritt, ein kurzes Wort an die mitfühlende Nation ist nach dem Shuttle-Start nicht zu erwarten.

Inzwischen schreibt die frühere Rechtshänderin mit links. Sätze, die sie spricht, sind noch kurz, bestehen zumeist nur aus einem oder zwei Worten. Lange Sätze zu formulieren, bleibt vorerst noch eine gewaltige Kraftanstrengung. Euphorische Zustände, schon bald wieder Berge erklimmen zu wollen, wechseln ab mit tiefen Stimmungstälern, es vielleicht nie zu schaffen, berichten Vertraute. Über Wochen hat Mark Kelly seine Frau neben dem Shuttle-Training täglich in der Reha besucht. „Ich kann nicht sagen, dass ich jeden Tag Verbesserungen ihres Zustands sehe, aber ich kann sagen: zumindest alle paar Tage“, sagt der Astronaut.

Sechs Tote und
zwölf Verletzte

Unvorbereitet, bei der gemeinsamen Zeitungslektüre mit Mark an einem März-Tag, hat sie der Schock getroffen, dass bei dem Amoklauf nach dem gezielten Attentat auf Giffords sechs weitere Menschen ums Leben kamen und zwölf verletzt wurden. „So viele Menschen“, schrie Gabrielle Giffords immer wieder in ihrem Schmerz. Dass unter den Toten ein Richterfreund, eine Kollegin, aber auch ein neunjähriges Mädchen waren, hat Mark seiner Gabby bis heute nicht erzählt. Noch ist sie nicht soweit, auch noch einen solchen Schock zu verkraften.