Dorsten. . Oberfeldwebel Naef A. wurde vor einem Jahr von Taliban angeschossen. Drei Kameraden starben bei dem Angriff

Oberfeldwebel Naef A. (27) hat in seiner Wohnung Bilder von drei Kameraden aufgehängt. Bilder von den Soldaten, die beim bis heute schwersten Gefecht der Bundeswehr in Afghanistan am Karfreitag vor einem Jahr ums Leben gekommen sind. Der Dorstener, seit kurzem in Gelsenkirchen zu Hause, hatte den Kampf gegen die Taliban schwer verletzt überlebt.

Über das Erlebte sprechen konnte er lange nur mit anderen Soldaten, die auch in Afghanistan waren. „Die wissen, wie es da riecht, wie die Menschen sind“, sagt er. Inzwischen möchte der Fallschirmjäger darüber reden. Um zu informieren. Um Solidarität mit den gefallenen Kameraden zu zeigen, die ihm Freunde waren im Fallschirmjägerbataillon 373 in Seedorf.

Taliban-Überfall

Der Taliban-Überfall damals kam aus heiterem Himmel. „Die Lage war wie immer. Mehr oder minder angespannt“, erzählt Naef A. Pioniere sollten eine Straße von Sprengfallen säubern, die Fallschirmjäger das Terrain sichern. Der Dorstener und drei Kameraden suchten gerade auf einem Feld nach einer abgetriebenen Aufklärungsdrohne, als plötzlich aus dem Dorf Isa Khel auf sie gefeuert wurde. Naef A. trafen Schüsse in die Beine. Zwei Projektile gingen rechts durchs Fleisch („zum Glück reine Durchschüsse, es wurde keine Arterie getroffen, sonst wäre ich auf dem Acker verblutet“), eins traf die linke Ferse, verletzte den Knochen. „Scheiße“, hat er gedacht, als er da lag. Die Schmerzen. Hat überlegt, ob er dort sterben oder gefangen genommen werde. Ob die Kameraden durchkommen. „Als Gruppenführer hatte ich ja die Verantwortung.“

Ein langes Gefecht

Als die Deutschen Soldaten „nach 30 oder 40 Minuten, aber gefühlten fünf Stunden“ Feuerüberlegenheit hatten, konnte Naef A. geholfen werden. Hinter den Linien wurde er verarztet und per Hubschrauber ausgeflogen. Dass im weiteren Gefecht drei Soldaten starben, sieben teils schwer verletzt wurden und ein Panzerfahrzeug auf einer Mine explodierte, erfuhr er erst später.

Dass dieses Gefecht die deutsche Debatte über den Afghanistan-Einsatz verändern würde, war dem Unteroffizier sofort klar, als er hörte, dass drei Soldaten gefallen waren. „Der Einsatz in Afghanistan ist ein Krieg”, weiß Naef A. heute. „Für jemanden, der dort in einem Graben angeschossen wurde, kann das nichts anderes sein als Krieg.” Ein Krieg wofür? Nahe Isa Khel gibt es wieder eine Mädchenschule, berichtet der Unteroffizier. „Das ist ein Fortschritt, der mit uns zu tun hat.”

Naef A. ist wieder im Dienst. „Nach eigenem Ermessen“, weil die Verletzung seiner Ferse noch nicht ausgeheilt ist. An den Karfreitag 2010 denkt er fast täglich. „Aber die Gedanken werden weniger lebensbestimmend“, erklärt er. Seine Lebensgefährtin hat ihm geholfen. „Ohne sie hätte ich das alles nicht so verarbeiten können.“ Dass er in Isa Khel dem Tod entgangen ist, hat sein Leben verändert. „Vieles, worüber ich mich früher aufregen konnte, ist nicht mehr so wichtig. Und ich verbringe mehr Zeit mit der Familie.“

Erster Auslandseinsatz

Soldat zu werden, war nicht sein erster Berufswunsch. Naef A., Halbjordanier, evangelisch, kam als Dreijähriger nach Deutschland, wuchs in Dorsten auf, spielte Fußball, wurde konfirmiert, machte eine Lehre als Installateur. Erst bei der Musterung entschied er sich für die Bundeswehr. Hubschrauberpilot wollte er werden, war aber mit 1,96 Metern zu groß. Deshalb wurde er Fallschirmjäger.

Nach Afghanistan flog er im März 2010 – sein erster Auslandseinsatz – mit gemischten Gefühlen: „Ich habe mich gefreut, dass ich anwenden konnte, was wir geübt haben. Aber mir war auch klar, dass dort Soldaten ihr Leben gelassen haben“, sagt der Vater einer vierjährigen Tochter.

Naef A. will Soldat bleiben. Er würde auch wieder nach Afghanistan gehen. „Nicht ohne Probleme. Aber ich würde gehen.“