Grand Isle. .

Ein Jahr nach der Explosion der BP-Bohrinsel „Deepwater Horizion“ im Golf von Mexiko leiden Menschen und Tiere an der Küste weiter unter den Folgen der Ölpest. Die Langzeitfolgen für Natur und Wirtschaft sind schwer abzuschätzen.

Kilometerlang zieht sich der Sandstrand von Grand Isle am Golf von Mexiko entlang, auch im Frühjahr sind die Temperaturen angenehm warm. Doch gelbe Bagger und Männer mit Schaufeln sorgen für allenfalls gedämpfte Urlaubsstimmung in dem schicken Resort im US-Bundesstaat Louisiana. Ein Jahr ist die Explosion der Bohrinsel „Deepwater Horizon“ her, und noch immer werden Ölklumpen und manchmal auch verschmierte Kadaver von Delphinen oder Vögeln angeschwemmt. „Wir würden den Menschen gerne sagen, dass es vorbei ist“, sagt Grand Isles Vize-Bürgermeister Jay LaFont. Doch die Langzeitfolgen für die Natur und die Wirtschaft der Region sind nur schwer abzuschätzen.

Am 20. April 2010 havarierte die „Deepwater Horizon“, elf Arbeiter starben. Als der Energiekonzern BP das Bohrloch in der Tiefsee nach 87 Tagen und mehreren gescheiterten Versuchen im Juli endlich schließen konnte, waren hunderte Million Liter Erdöl ins Meer geströmt - die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA. Zwar ist der Ölteppich mittlerweile weitgehend von der Meeresoberfläche verschwunden, unter den Wellen sind aber noch immer riesige Ölmengen versteckt.

„Die Leute wollen, dass Schluss ist und dass sie zu einem normalen Leben zurückkehren können“, sagt LaFont. Zu ihnen gehört die 76-jährige Sarah Rigaud, die in Grand Isle ein kleines Restaurant betreibt. Fast 40 Jahre lang liefen die Geschäfte gut, dann kam die Ölpest. Die Gäste blieben aus, die unbezahlten Rechnungen häuften sich. Von BP erhielt Rigaud bislang zwei Soforthilfen in Höhe von je 5000 Dollar, auf eine Zahlung aus dem 20 Milliarden Dollar (15 Milliarden Euro) schweren Entschädigungsfonds des Energiekonzerns wartet sie aber weiter. „Sie machen uns ständig neue Versprechen, und wir haben nichts bekommen“, beklagt sie sich.

130.000 Anträge auf Schadensersatz

Rund 88.000 Schadenersatz-Anträge wegen der Ölpest sind noch nicht bearbeitet, in 43.000 weiteren Fällen verlangt BP zusätzliche Beweise für die Einbußen. Mit Geld alleine sei der Schaden ohnehin nicht zu begleichen, meint Dean Blanchard, der ebenfalls noch auf seinen Scheck wartet. „Sie könnten mir 500 Millionen Dollar zahlen, und das wäre nicht genug“, sagt er. Früher habe sein Fischgroßhandel in Grand Isle täglich bis zu 226.000 Kilogramm Krabben umgeschlagen. „Das ist was ich liebe, was ich mein Leben lang gemacht habe. Das wurde mir genommen.“

Derzeit werden rund 380 Kilometer Küste vom Ölschlick gereinigt, nach Ende der Tourismussaison und der Brutzeit sollen sich die Säuberungstrupps weitere 480 Kilometer vornehmen. Für November ist dann eine Überprüfung der gesamten Küste auf verbleibende Ölverschmutzungen geplant. „Es ist schwer, schon irgendeinen Schlusspunkt zu nennen“, sagt Dan Lauer von der US-Küstenwache, der für BP die Aufräumarbeiten leitet.

Die Ölpest

Handout photo obtained on April 30, 2010 from Eumetsat shows a satellite image taken on April 29 of the growing oil slick off the coast of Louisiana slowly approaching the Mississippi Delta. Oil from a giant slick washed ashore in Louisiana on April 30, threatening a catastrophe for the US Gulf Coast as the government called a national diasaster and mulled sending in the military. With up to 200,000 gallons of oil a day spewing into the Gulf of Mexico from a leaking well, the accident stemming from a sunken offshore rig threatens to rival the Exxon Valdez disaster as the worst oil spill in US history. AFP PHOTO / HO / EUMETSAT -- RESTRICTED TO EDITORIAL USE -- NO SALE -- NOT FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS -- MANDATORY CREDIT --
Handout photo obtained on April 30, 2010 from Eumetsat shows a satellite image taken on April 29 of the growing oil slick off the coast of Louisiana slowly approaching the Mississippi Delta. Oil from a giant slick washed ashore in Louisiana on April 30, threatening a catastrophe for the US Gulf Coast as the government called a national diasaster and mulled sending in the military. With up to 200,000 gallons of oil a day spewing into the Gulf of Mexico from a leaking well, the accident stemming from a sunken offshore rig threatens to rival the Exxon Valdez disaster as the worst oil spill in US history. AFP PHOTO / HO / EUMETSAT -- RESTRICTED TO EDITORIAL USE -- NO SALE -- NOT FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS -- MANDATORY CREDIT -- © AFP
Der Ölteppich bedroht dort ein einzigartiges Ökosystem.
Der Ölteppich bedroht dort ein einzigartiges Ökosystem. © AFP
Starke südöstliche Winde trieben erste Ölschlieren in das Küstengebiet um das Mississippi-Delta.
Starke südöstliche Winde trieben erste Ölschlieren in das Küstengebiet um das Mississippi-Delta. © AFP
Erste Ölspuren finden sich im Wasser.
Erste Ölspuren finden sich im Wasser. © AP
Vergangene Woche war die von BP betriebene Ölplattform im Golf von Mexiko gesunken.
Vergangene Woche war die von BP betriebene Ölplattform im Golf von Mexiko gesunken. © AP
Seitdem fließt unaufhörlich Öl aus.
Seitdem fließt unaufhörlich Öl aus. © AP
Täglich fließen 800.000 Liter aus dem Bohrloch ins Meer.
Täglich fließen 800.000 Liter aus dem Bohrloch ins Meer. © AP
This NASA Earth Observatory Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) image released April 30, 2010 shows a close up view of a massive oil slick in the Gulf of Mexico as it continued spreading on April 29, moving perilously close to shore, according to news reports. The US Coast Guard attempted controlled burns on some of the oil to prevent its spread, but had to halt the process due to high winds. Meanwhile, the US National Oceanic and Atmospheric Administration constructed a dome-and-pipe system to contain the spread of oil at the sea floor.The oil slick resulted from an explosion that occurred on April 20, 2010, on the Deepwater Horizon rig. AFP PHOTO/NASA/ /HANDOUT/RESTRICTED TO EDITORIAL USE
This NASA Earth Observatory Moderate Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) image released April 30, 2010 shows a close up view of a massive oil slick in the Gulf of Mexico as it continued spreading on April 29, moving perilously close to shore, according to news reports. The US Coast Guard attempted controlled burns on some of the oil to prevent its spread, but had to halt the process due to high winds. Meanwhile, the US National Oceanic and Atmospheric Administration constructed a dome-and-pipe system to contain the spread of oil at the sea floor.The oil slick resulted from an explosion that occurred on April 20, 2010, on the Deepwater Horizon rig. AFP PHOTO/NASA/ /HANDOUT/RESTRICTED TO EDITORIAL USE © AFP
Hunderte Kilometer Küste mit einem einzigartigen Ökosystem aus Marschlandschaften und seltener Fauna sind unmittelbar bedroht.
Hunderte Kilometer Küste mit einem einzigartigen Ökosystem aus Marschlandschaften und seltener Fauna sind unmittelbar bedroht. © AP
In Florida, Alabama und Mississippi ist die Fischerei in Gefahr, die das Hauptstandbein der örtlichen Wirtschaft ist. Die Nationalgarde überwacht ständig die Bewegung des Teppichs.
In Florida, Alabama und Mississippi ist die Fischerei in Gefahr, die das Hauptstandbein der örtlichen Wirtschaft ist. Die Nationalgarde überwacht ständig die Bewegung des Teppichs. © AP
Die ersten Ausläufer des Ölteppichs erreichten am Freitag die Küste Louisianas.
Die ersten Ausläufer des Ölteppichs erreichten am Freitag die Küste Louisianas. © AFP
Von der US-Navy wurden 18 Kilometer aufblasbare Ölsperren und Geräte zum Abschöpfen des Öls in die Region geschickt.
Von der US-Navy wurden 18 Kilometer aufblasbare Ölsperren und Geräte zum Abschöpfen des Öls in die Region geschickt. © AFP
Sie sollen verhindern, dass das Öl an Land kommt.
Sie sollen verhindern, dass das Öl an Land kommt. © AFP
Vor allem vorgelagerte Inseln mit einer reichen Tierwelt sind zuerst bedroht.
Vor allem vorgelagerte Inseln mit einer reichen Tierwelt sind zuerst bedroht. © AFP
Erste Vögel mit ölverschmiertem Gefieder wurden bereits entdeckt.
Erste Vögel mit ölverschmiertem Gefieder wurden bereits entdeckt. © AP
Nach dem US-Bundesstaat Louisiana rief am Freitag ebefalls Florida den Notstand aus.
Nach dem US-Bundesstaat Louisiana rief am Freitag ebefalls Florida den Notstand aus. © AP
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Die „am wenigsten schlechte Option“

Die schlimmsten Befürchtungen für die ökologisch sensiblen Feuchtgebiete an der Küste Louisianas traten aber nicht ein. „Wir hatten wirklich Glück“, sagt Christopher D’Elia, der an der Louisiana State University über Küstengebiete forscht. Günstige Winde und Strömungen hielten das meiste Öl von der Küste fern. Mit dem massiven Einsatz chemischer Mittel wurde der dicke Ölteppich in winzige, biologisch abbaubare Tröpfchen aufgelöst. Während bei der deutlich kleineren Ölpest nach der Havarie des Öltankers „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska 30.000 Vögel im Ölschlick verendeten, wurden an der Golfküste nur etwas mehr als 6000 tote Vögel gefunden.

Die Leiterin der US-Umweltschutzbehörde EPA, Lisa Jackson, nannte den Einsatz der Chemikalien die „am wenigsten schlechte Option“. Doch Experten beobachten mit Unbehagen die giftige Mischung aus Öl und chemischen Dispersionsmitteln, die nun im Ozean treibt. Die Folgen seien derzeit nicht abzusehen, sagt Larry McKinney von der Texas A&M University in Corpus Christi. „Die noch unbeantwortete Frage ist, ob wir auf kurze Sicht etwas gewonnen haben, indem wir ein langfristiges Problem geschaffen haben.“ (afp)