Essen. . Eine Mitgliedschaft bei Facebook ist für viele amerikanische Senioren selbstverständlich. Auch bei uns werden immer mehr Menschen ab 60 Teil der Online-Gemeinschaft. Dank sozialer Netzwerke lösen sich die Grenzen zwischen den Generationen auf.

Auf Facebook mit den Eltern befreundet zu sein, ist für die meisten jüngeren Nutzer inzwischen normal. Aber mit den Großeltern? In Amerika ist das keine Seltenheit. Laut einer Studie des Forschungsprojekts Pew Internet zeigen soziale Netzwerke in den USA den größten Zuwachs in der Gruppe der älteren Nutzer ab 50 Jahren. Seit 2009 ist der Anteil der über 64-Jährigen, die auf Facebook und Co aktiv sind, um 100 Prozent gestiegen.

In Deutschland sieht das noch etwas anders aus. Nur ein Viertel der über 60-Jährigen sind laut der Süddeutschen Zeitung überhaupt online. Von ihnen besuchen nur vier Prozent regelmäßig soziale Netzwerke. Noch. Denn das sind immerhin doppelt so viele wie 2008. Das Bild der abgeschiedenen, von der Online-Kommunikation ausgeschlossenen Senioren unterzieht sich gerade einem großen Wandel. So wäre es vor ein paar Jahren kaum denkbar gewesen, dass sich ein Altenheim auf Facebook präsentiert. Heute wird man auf der Suche nach Profilen von Senioren- und Pflegeheimen schnell fündig.

„Senioren bei Facebook - das ist die Zukunft“

Das evangelische Altenheim Wahlscheid zum Beispiel zeigt Fotos der Einrichtung, informiert über Aktivitäten und verlinkt zu themenverwandten Bereichen. 37 Leuten gefällt das bis jetzt. Leiterin Michaela Baumann hält den Facebook-Auftritt für sinnvoll, auch wenn das Interesse an dem Netzwerk bei den Bewohnern selbst noch nicht so groß sei. „Wir haben allerdings mal versucht, Kurse anzuleihern. Ein älterer Herr wollte den Bewohnern das Internet nahe bringen“, erzählt sie. Dieser Versuch ist vorerst gescheitert, aber: „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich das bald ändert. Die Entwicklung geht eindeutig dahin, dass Senioren sich auch für Facebook interessieren. Das ist auf jeden Fall die Zukunft“, sagt sie.

Zwei, die sich definitiv für Facebook interessieren sind Ingrid(78) und Carl(80) Kurzrock aus Hessen. Auf ihrem Profil stellen sie sich - mit Foto - als Großeltern Kurzrock vor. Rollatorfahren gehört zu ihren liebsten Sportarten. Auf Nachfrage geben die beiden zu, das Profil nicht selbst erstellt zu haben und auch nicht zu pflegen - das übernehme die Tochter für sie. Dennoch berichten sie, dass ihr Umfeld die Bereitschaft, „da mitzumachen“ sehr positiv aufnehme. Die Idee, sich anzumelden, sei eher aus „Spaß and der Freude“ entstanden, sie wollten ihren Enkel damit überraschen.

Technik- und Datenschutzprobleme

Wie sieht es aber mit jenen Menschen ab 60 aus, die sich ebenso gekonnt und selbstverständlich durch das soziale Netzwerk Facebook bewegen, wie die Jungen? Bleiben sie unter sich oder suchen sie Kontakt zu den „Digital Natives“, also jenen, die von Geburt an mit den Errungenschaften des digitalen Zeitalters aufgewachsen sind? Jürgen Kühnel (67), emeritierter Professor für Germanistik, Mediävistik und Allgemeine Literaturwissenschaft an der Universität Siegen, sieht durch seine Mitgliedschaft bei Facebook in erster Linie eine Möglichkeit, „den Kontakt zu jüngeren Freunden zu pflegen“. Lediglich zwei seiner Facebook-Freunde seien im gleichen Alter wie er.

Dass die Akzeptanz von Facebook in seiner Altersgruppe wesentlich geringer sei als in Amerika bestätigt Jürgen Kühnel. „Es ist ganz charakteristisch, dass einige Kolleginnen und Kollegen, die ungefähr meines Alters sind, auf meine Facebook-Einladung nicht oder dezidiert negativ reagiert haben“, sagt er. Als Gründe für die Ablehnungshaltung sieht er zwei Probleme: technische Schwierigkeiten und die Angst vor der öffentlichen Preisgabe der eigenen Daten. Letzteres sei gerade für deutsche Akademiker ein großes Problem, fügt er hinzu. In Amerika sei das anders, dort gehe man viel offener mit Daten um als hier. Diese Mentalitätsunterschiede erklären auch, warum die Zahlen älterer Facebook-Nutzer in Amerika und Deutschland so sehr voneinander abweichen.

Generationen nähern sich an

Gerade für die Werbung liegt in der steigenden Präsenz von Senioren im Internet aber eine große Chance. Auf Seiten, die sich in erster Linie an ältere Leute richten, springen einen Anzeigen an, die für Medizin, Gesundheitsmagazine und Online-Dating ab 40 werben. Die Denkweise der Werbe- und Marketingexperten sei aber leider noch etwas veraltet, mein Wolfgang Hennes, Geschäftsführer des Online-Shops Seniorenland.de sowie des Blogs www.senioren-blogger.de: „Die halten immer noch 14- bis 45-Jährige für ihre wichtigste Zielgruppe, aber das ist sowas von vorbei. Diese strenge Aufteilung gibt es heute gar nicht mehr, das geht viel mehr nach Interessen.“

Vorbei ist anscheinend auch die strikte Trennung zwischen den Generationen. „Früher wollte niemand etwas mit dem Alter zu tun haben, weil es die Menschen an den Tod erinnert“, sagt Hennes. „Heute interessieren sich auch viele junge Menschen für unser Angebot. Oft sind das Kinder oder Enkel, die etwas für ihre Angehörigen suchen oder einfach nur an deren Leben teilnehmen wollen“, fügt er hinzu. Wenn man sich vorstellt, dass noch vor einiger Zeit die Großeltern hart darum kämpfen mussten, am Leben der Kinder und Enkel teilzunehmen, sei das eine erfreuliche Entwicklung.