Krailling. . Der Doppelmord an zwei Kindern im oberbayerischen Krailling scheint aufgeklärt: Doch der von der Polizei festgenommene 50-jährigen Onkel der getöteten Schwestern schweigt. Unterdessen rätseln Nachbarn über sein Motiv.

Am Haus von Thomas S. im oberbayerischen Peißenberg sind die Rollladen heruntergezogen. An der Tür klebt das kleine Verschlusssiegel der Kripo. Eine Nachbarin von gegenüber sagt: „Dass hier nicht alles im Lot war, konnten alle sehen.“

Der 50-jährige Mann, selbst Vater von vier Kindern, soll im 55 Kilometer entfernten Krailling die beiden Töchter seiner Schwägerin getötet haben. Am Samstag erging Haftbefehl wegen zweifachen Mordes gegen den Onkel der acht und elf Jahre alten Schwestern Chiara und Sharon. Der Tatverdächtige schweigt, aber die Ermittler sehen ihn durch einen genetischen Fingerabdruck überführt.

Über sein Motiv wird in Peißenberg gerätselt. Thomas S., der als Postzusteller im Raum Starnberg arbeitete, hatte sich wohl beim Hausbau übernommen. Er brauchte dringend Geld, das ist allen Anwohnern klar. Sie berichten, vor einem Jahr sei der Mann mit seiner Frau und den vier Kindern im Alter von sechs bis 15 Jahren eingezogen.

Doch noch immer sieht es um das Haus aus wie auf einer Baustelle: An der Tür ragen Eisenstreben heraus, ein Garten ist nicht angelegt, die Garagentüren sind mit Sperrholz zugenagelt. „So sieht es hier seit dem Einzug aus“, sagt ein Nachbar. Für ihn war der Mann immer ein „Phantom“, das er kaum zu Gesicht bekommen habe. Einer Nachbarin fiel auf, dass der Vater „rabiat mit den Kindern umging“.

Das Haus der Familie war nach einem Spendenaufruf der Gemeinde und im regionalen Radio fertiggestellt worden. Örtliche Firmen und die Feuerwehr halfen mit: „Wir waren damals mit etwa zehn Mann dort“, erinnert sich ein Peißenberger Feuerwehrmann. An einem Tag deckten die Feuerwehrleute dann das Dach ein.

Ehefrau an Krebs erkrankt

Hintergrund der Aktion war eine Erkrankung des zehnjährigen Sohnes, dem im Herbst 2009 in Regensburg eine Leber transplantiert werden musste. Zudem war die Mutter Ursula S. an Krebs erkrankt. Gemunkelt wird, Thomas S. habe seiner Schwägerin aus Krailling das Leben mit den gesunden Töchtern nicht gegönnt.

Der Schreck wegen des massiven SEK-Einsatzes am Freitagnachmittag, als Thomas S. vor seinem Haus festgenommen und abgeführt wurde, steckt den Anwohnern noch in den Knochen. „Das ist schon schlimm, dass so etwas hier ganz in der Nähe passiert“, sagt eine Mutter von drei Kindern.

Die Ehefrau des mutmaßlichen Mörders und die Kinder, die sich jetzt in der Obhut des Jugendamtes befinden, haben von der Festnahme nach Aussage der Polizei nichts mitbekommen. Thomas S. sitzt derweil im Gefängnis von München-Stadelheim in Untersuchungshaft. (dapd)