Brüssel. . Europa steht vor einem Flüchtlingsproblem. Immer mehr Afrikaner kommen über das Mittelmeer nach Italien. Darunter sind auch immer mehr Libyer. Diese können aus humanitären Gründen nicht zurückgeschickt werden.

Der Strom der Flüchtlinge aus Nordafrika reißt nicht ab. Bereits vor Wochen forderte die italienische Regierung mehr Unterstützung von den europäischen Partnern – was diese mit Verweis auf die Zahlen als unnötigen Alarmismus abtaten. Doch nun könnte Europa tatsächlich vor einem Flüchtlingsproblem stehen: Seit dem Wochenende kommen erstmals Menschen direkt aus dem von Kämpfen zerrissenen Libyen, darunter auch immer mehr Libyer. Und den Hilfsorganisationen droht das Geld auszugehen.

Zum ersten Mal seit Beginn des Aufstands gegen den Obersten Muammar al-Gaddafi Mitte Februar kommen Flüchtlingsboote direkt von Libyen nach Europa, teilte das Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) mit. 60.000 Menschen hätten Libyen in den vergangenen beiden Wochen verlassen, sagte der Brüsseler UNHCR-Vertreter John Fredrikson. Und sie kämen nicht mehr nur in die Nachbarländer Tunesien und Ägypten, sondern auch direkt nach Europa.

Libyen-Flüchtlinge können nicht zurückgebracht werden

Das könnte die EU vor Probleme stellen, glaubt der maltesische EU-Parlamentarier Simon Busuttil: „So lange es um Nicht-Libyer ging, konnten sie in ihr Heimatland zurückgebracht werden“. Das ist laut EU-Kommission mithilfe internationaler Organisationen bisher mit rund 100.000 Menschen geschehen. Bei den Bürgerkriegs-Flüchtlingen aus Libyen „kommt das nicht in Frage“, erklärte Busuttil.

Sein Inselland sei besonders betroffen, sagt Busuttil. Am Montag seien auf Malta innerhalb von 24 Stunden mehr als 800 Flüchtlinge eingetroffen. In Relation zur Bevölkerung sei das eine gewaltige Zahl und entspreche einem Ansturm von 120.000 Menschen in Frankreich oder 180.000 in Italien oder Deutschland.

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte am Freitag in Brüssel, die Neuankömmlinge auf Malta und der italienischen Nachbarinsel Lampedusa seien „wahrscheinlich Asylsuchende“ – im Gegensatz zum Großteil der eingereisten Tunesier, die vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen nach Europa kamen. Zudem säßen einige hundert Somalier, Eritreer und Sudanesen im Grenzgebiet zwischen Libyen und Tunesien fest. Sie zähle auf die „europäische Solidarität“ und hoffe, dass die EU-Länder einige dieser Menschen aufnähmen, sagte Malmström. Sie benötigten dringend internationalen Schutz. Bisher habe nur Schweden die Aufnahme angeboten.

Mehr als 110 Millionen Euro an Spenden seien nötig

Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bittet zudem dringend um Spenden. Mehr als 110 Millionen Euro seien nötig, um die Hilfsmaßnahmen fortzuführen, hieß es am Freitag. UNHCR-Vertreter Fredrikson klagt, die Helfer könnten Evakuierungs-Flüge oft nur kurzfristig buchen, weil die Mittel so knapp seien. Wenn die Flüchtlinge aus Drittländern indes nicht in ihre Heimat zurückgebracht werden könnten, „würde eine erhebliche Zahl von ihnen sich nach Europa orientieren.“

Bisher hat Europa Italien und Malta vor allem finanziell unterstützt. Zudem patrouilliert die EU-Grenzschutzagentur Frontex im Mittelmeer. Gleichzeitig arbeitet die EU an einer längerfristigen Strategie zur Zusammenarbeit mit den Staaten Nordafrika nach einem Regimewechsel. Hierzu will EU-Innenkommissarin Malmström beim Treffen der europäischen Innenminister am 11. April erste Vorschläge vorlegen.