Essen. „An und für sich“ – das ist wieder so ein Clueso-Titel, eine Phrase, scheinbar abgenutzt. Aber wenn man einmal hinhört, steckt Poesie darin. Eine Unbedingtheit, der das üblich folgende „Aber“ fehlt. Clueso alias Thomas Hübner aus Erfurt, 30 Jahre, drei Eins-Live-Kronen, hat sein fünftes Studioalbum so benannt: „An und für sich“. Und weil das so viel und doch so wenig verrät, haben wir Clueso gebeten, noch mal einzugehen auf die eigenen Texte.
Zu schnell vorbei. Sag mal, wie schnell verging. Schon wieder die Zeit? Zu schnell vorbei. Sag mal, wie schnell verging. Schon wieder die Zeit? Zu schnell vorbei. Sag mal, wie schnell verging. Schon wieder die Zeit?Zu schnell vorbei. Sag mal, wie schnell verging. Schon wieder die Zeit? ... Ein Gefühl, das zunimmt?
Clueso: Ja und nein. Ich sollte zwar öfter zurückgucken, mache es aber nicht. Insofern ist der Song auch eine Aufforderung an mich. Aber manchmal frage ich mich natürlich schon, wie man dahin kommt, plötzlich in einem Tourbus zu sitzen, wie jetzt gerade. Früher haben wir uns alle in einen Sprinter gequetscht, selbst die Technik haben wir mit reingestopft. Und dann wird mir bewusst, was für ein langer Weg das war. Ich möchte ihn nicht noch einmal gehen.
Über Sonne reden find ich kitschig – wie Songs über Regen. Zurzeit mach ich mich lieber über andere Dinge schlau. Über Sonne reden find ich kitschig - wie Songs über Regen. Zurzeit mach ich mich lieber über andere Dinge schlau ... Zum Beispiel?
Zum Beispiel über Japan und Atomstrom. Ich bin zwar keiner von den Superaktiven, aber es genügt schon Kinderlogik, um zu erkennen, dass es so nicht weitergehen kann ... Aber als der Song geschrieben wurde, habe ich zum Beispiel viele Sachen von Bob Dylan gelesen. Und dann gab es diese Zeile von Max Herre: Immer wenn es regnet – wie ein kleiner Applaus. Daraus ist der Song „Regen“ entstanden, und ich dachte: eigentlich uncool. Das ist dann als das obige Zitat wieder eingeflossen in einen anderen Song – als Verweis auf die Ambivalenz, dass wir jeden Tag Dinge tun, die cool und nicht cool sind.
Vor dem Fenster Science Fiction, Hochhäuser und Lichter. Ich halt mich nicht im geringsten für einen bedeutsamen Dichter ... Aber was bedeutet Dichtung persönlich?
Dass ich es unheimlich gern tue. Aber nur bei dem Wort Dichter seh ich so ein eingerahmtes Bild, eins mit Goldrahmen. Mit Arthur Rim-baud drin, und da will ich mich nicht daneben hängen. Aber ich les’ immer mehr Gedichte. Von Baudelaire hab ich immer was dabei. Manchmal geh ich auch ins Internet, der Spiegel hat mal so eine Gutenbergseite angelegt.
Vor dem Fenster Science Fiction, Hochhäuser und Lichter. Ich halt mich nicht im geringsten für einen bedeutsamen Dichter. Ich glaube nichts, ich glaub an dich, glaubst du an mich, ich glaub ich auch.
Ich glaube nichts, ich glaub an dich, glaubst du an mich, ich glaub ich auch ... Wie geht noch mal das Konzept von der begehbaren Lyrik?
Der Satz danach gehört noch mehr dazu. Ich frage mich, ich frage dich, doch frag ich nicht: „Fragst du dich auch?“ Das sind Sätze, die passieren beim Schreiben. Bei manchen Gedichten versteh’ ich auch nicht, was der andere meint, aber es gehen Türen auf – und alleine dieser Luftzug ist schon erfrischend. Und das versuch ich mit Wörtern.
Ich will keinen Zentimeter mehr zwischen unsIch will keinen Zentimeter mehr zwischen uns ... für wen war das noch mal geschrieben?
Das würde ich sagen, wenn wir abends in der Bar sitzen würden. Aber nicht im Interview. Ich versuche halt, mein Privatleben etwas zu schützen. Aber es war für jemanden, den ich schon kannte. Im Prinzip ein Neukennenlernen, keine erste Liebe.
Ich kann dich, wenn du willst, gern ein Stück mitnehm’Ich kann dich, wenn du willst, gern ein Stück mitnehm’ ... wann zuletzt einen Anhalter mitgenommen?
Ich glaube, als wir in Jena waren. Das ist ja immer ein bisschen schwierig, wenn man mit Kumpels unterwegs ist und unter Zeitdruck. Aber wenn ich jemanden mit nem Schild stehen seh, sag ich oft mal: Ey, lass anhalten. Wir hatten auch auf der letzten Tour mit dem Orchesterbus ein paar Sitze frei. Wir saßen vorne, haben die Aufnahmen von Hamburg angeschaut, und die Anhalter kamen dazu mit ihrem Six-Pack Bier und haben ihren Senf dazugegeben. Super!
Pizzaschachteln stauen sich. Jeder weiß, dass es bei mir staubig ist.Pizzaschachteln stauen sich. Jeder weiss, dass es bei mir staubig ist ... Ein früher Song, immer noch so?
Bei mir im Studio ist es so, dass Kinder und Künstler alles dürfen. Neulich habe ich mit Antonio nach einem Jazzkonzert Minigolf auf dem Flur gespielt. Richtig doll. Aber das war in Ordnung. Wenn man eine Idee oder ein Projekt hat, darf’s auch mal widerlich werden. Aber danach wird aufgeräumt und auch umgeräumt. Ich habe auch zu Hause nur Möbel, die ungefähr einen Meter hoch sind, damit ich ständig umräumen kann.
Ich war am tanzen und trinken, fast wie besessen. Leute schossen Fotos von mir, und sie dachten, ich krieg’s nicht mit. Mein Gott, wie einfach das ist, im Kopf woanders zu sein. Ich war so sehr dabeiIch war am tanzen und trinken, fast wie besessen. Leute schossen Fotos von mir, und sie dachten, ich krieg’s nicht mit. Mein Gott, wie einfach das ist, im Kopf woanders zu sein. Ich war so sehr dabei ... fällt’s schwer und immer schwerer mit zunehmender Bekanntheit?
Es fällt immer schwerer, „normal“ so sehr dabei zu sein. Es gibt so Tage, da wächst dieses Gefühl in mir wie eine kleine Pflanze und will raus. Da ist dann der Wunsch, selber mal nur Kisten zu schleppen und nicht Clueso zu sein. Aus der Mitte dieses Kreises an seinen Rand zu treten. Aber in jedem normalen Job ist das sicher auch so. Da vermitteln die Wochenenden ein Gefühl der Freiheit. Ich habe im Moment keine Wochenenden, aber ich mache gerne Musik.