Loysville. . Obskure US-Sekte stört mit Vorliebe Beerdigungen. Sie sieht in jedem Unglück eine Strafe Gottes gegen Homosexualität

„Wenn sie kommen, gibt es was aufs Maul.“ Ohne hörbare Erregung spuckt Jim diesen Satz aus. Man mag ihm glauben, dass er es ernst meint. Knapp 70 Kilometer ist der bärtige Hüne an diesem noch immer winterkalten Morgen mit seiner Harley über Pennsylvanias Hügel gebrettert, um ein Zeichen zu setzen. Rauchend und ohne viele Worte zu machen, stehen Jim und ein gutes Dutzend anderer Biker in schwarzer Kluft und mit verspiegelten Sonnenbrillen auf einem Standstreifen der kurvenreichen Landstraße, die Loysville mit Greenpark verbindet. Sie warten auf einen Gegner, der es an diesem Tag vorzieht, nicht aufzutauchen.

Vielleicht war die Drohung, den Tod von sieben Kindern als gerechte Strafe Gottes zu feiern, ohnehin nur ein Scherz der übelsten Sorte. Wahrscheinlich ging es der Westboro Baptist Church nur darum, einmal mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Selbst bis in Amerikas nationale Medien hatte es die Ankündigung der obskuren Sekte geschafft, am Tag der Beerdigung der Kinder vor Ort Gottes Rachsucht zu preisen.

Der Landkreis wiederum war in Alarmbereitschaft, um einen würdigen Ablauf der Feier im Gemeindehaus zu garantieren, ehe die Särge auf dem nahen Friedhof von Loysville in die Erde gelassen wurden. In der letzten Woche waren die Kinder bei einem verheerenden Feuer auf der heimischen Farm im Qualm erstickt. Die Feuersbrunst auf der Amish-Farm hatte landesweit Schlagzeilen gemacht – und die Westboro Sekte mit Sitz im fernen Kansas, im bibelfesten Westen, wohl damit inspiriert, ihren neuen Spielraum auf makabre Weise auszureizen.

Amerikas höchste Richter in Washington hatten Anfang März ein Urteil gefällt, dass viele US-Bürger konsternierte. Die Meinungsfreiheit ist nach Ansicht der Richter ein derart hoher Wert, dass nichts ihre Einschränkung rechtfertigt. Dass die Sekte seit Jahren vorzugsweise bei Soldatenbegräbnissen auftaucht, um Gott für tote Soldaten als Strafe für tolerierte Homosexualität zu danken, „mag zwar ein Ärgernis sein und Widerwillen hervorrufen“. Doch Worte, die schmerzen und verletzen, dürfe man deshalb allein nicht verbieten, meinten die Richter.

„Was ist das für eine Freiheit, die auf den Gefühlen der Menschen herumtrampeln darf?“, empört sich hingegen Jim mit wachsamen Blick auf die Landstraße. Über 600 Soldatenbegräbnisse hatte die gerade 100-köpfige Sekte um Gründer Fred Phelps (82) in den letzten Jahren gekapert, hatte gefeixt und gejohlt, wenn Angehörige ihre Söhne und Töchter zu Grabe trugen. „Betet für mehr tote Soldaten. Gott hasst Amerika“ riefen sie.

43 Staaten haben inzwischen Pufferzonen vorgeschrieben, um die christlichen Fundis mit ihren Hass-Parolen auf Ab­stand von den Trauergemeinden zu halten. Mary hat die vorgeschriebene Mindestentfernung mit Leuchtpatronen auf der Landstraße markiert. Kräftige Gestalten in abgewetzten Jeans, denen anzusehen ist, dass sie harte Arbeit auf Pennsylvanias Feldern gewöhnt sind, haben sich neben der zierlichen Farmerin aufgebaut. Rund ums Gemeindezentrum treffen Hunderte von Familien aus dem Landkreis ein, um sich von den aufgebahrten Kindern zu verabschieden. Die meisten kommen in klapprigen Pickups. Viele Amish-Familien, die zuhause aus religiöser Überzeugung nur Pferdekutschen benutzen, haben Busse gemietet. „Wo sind diese Bekloppten? Zeigt`s ihnen“, ruft ein Autofahrer Mary zu, die auf ihrem Posten auch noch eine US-Flagge in den Boden gerammt hat. Was Richter im fernen Washington entscheiden, lässt die Menschen nicht an ihren patriotischen Gefühlen zweifeln. Phelps und seine Mini-Gemeinde mögen angesichts des Wirbels auch diesen Tag als weiteren Triumph verbuchen. „Vervierfachen“ will die Sekte nach dem Richterspruch ihre Umtriebe.