Essen/Heidelberg. . Die „Freydis“ des bekannten Seglerpaars Heide und Erich Wilts tauchte vier Kilometer von der japanischen Marina entfernt wieder auf – an verstrahlter Küste.
Durch alle Weltmeere ist sie geschaukelt, der Lebenstraum eines der bekanntesten deutschen Seglerehepaare. Doch jetzt liegt die Freydis angeschlagen vom Tsunami auf einem Felsvorsprung der japanischen Küste. Immerhin, das 15-Meter-Schiff ist wieder aufgetaucht, vier Kilometer entfernt von der angeblich so sicheren Marina, nachdem Heide und Erich Wilts es schon aufgegeben hatten.
Doch hier, an diesem unwirtlichen Stück Strand, kann es niemand bergen, darf es niemand bergen. Das havarierte Atomkraftwerk Fukushima liegt nur 30 Kilometer weit entfernt. Das Gebiet ist abgeriegelt, evakuiert. Betreten verboten.
Sie ist rot wie die Tochter des Wikingers Erich und heißt auch so: Die Freydis ist seit dem Ende der 70er Jahre das zweite Zuhause der Ärztin und des Diplom-Kaufmannes, der sieben Jahre lang Geschäftsführer eines namhaften Unternehmens in Düsseldorf war und jetzt mit seiner Frau in Heidelberg überwintert. „Eigentlich wollten wir schon wieder los, nach unserem Schiff sehen, aber wir haben die Flugtickets storniert“, sagt Erich Wilts. „Wir wissen im Augenblick gar nicht, was wir denken sollen.“
1979 fertiggestellt, wurde der 25-Tonner 1990 das schwimmende Heim für die beiden mittlerweile 69-Jährigen. Sie wechselten Praxis und Büro gegen Steuerstand und Kombüse, segelten mehrmals um die Welt, ließen Salzwasser unter ihrem Kiel durchrauschen. Die Segelszene in Deutschland blickt fast ehrfürchtig auf das Paar. Hunderte Abenteurer durften im Laufe der Jahre auf extravaganten Törns bis hinunter in die Antarktis gegen entsprechendes Entgelt mit Hand anlegen – darunter auch der Klassiker rund um das Kap Hoorn.
Der Wind blies die Freydis nach Feuerland, rund um Afrika, Australien, in die Karibik und zu all den anderen exotischen Zielen, von denen viele waschechte Seebären nur träumen können.
Mit 48 Jahren schaffte das Paar den lange geplanten Ausstieg aus der beruflichen Existenz. Das Fahrgeld der Crewmitglieder für die gebuchten Extrem-Törns trägt mit dazu bei, das Schiff auch finanziell über Wasser zu halten. Ausgebaut haben es Heide und Erich Wilts in Eigenarbeit, „am Anfang hatten wir nur den zusammengeschweißten Stahlrumpf“, blickt Erich Wilts zurück. Einen Teil des Gesparten steckte das Paar in die Altersversorgung, löste die Leinen von der neuen Heimat Heidelberg aber nicht völlig, sondern behielt das Haus.
Japaner verlieren
die Hoffnung nicht
Ob sie ihre Freydis jemals wieder seetüchtig bekommen, ist noch völlig unklar. Wenn das Schiff verstrahlt sein sollte, wird die übliche Dusche mit dem Dampfstrahler nach dem Winterlager nichts ausrichten können. Aber es ist ja ein Wunder, dass das Meer die Jacht überhaupt wieder freigab. Die frohe Botschaft kam vom Hafenmeister Aki Sakamoto, der nach dem Tsunami noch „Sorry“ gemailt hatte, „das Schiff ist aus der komplett zerstörten Marina gespült worden“. Am Dienstagmorgen trauten die Wilts’ ihren Augen nicht, als sie ihr Postfach öffneten: „Die Freydis ist wieder da“, was den Hafenmeister ermutigt zu ergänzen: „Japanese are not losing hope – Japaner verlieren die Hoffnung nicht.“
Das Boot ist nicht kaskoversichert, „das wäre viel zu teuer, weil es ja auf der ganzen Welt unterwegs ist und nicht nur in einem begrenzten Revier“, erläutert Wilts.
Eigentlich sollte das robuste Stahlschiff im Mai Richtung Golf von Alaska starten, die Kojen allesamt ausgebucht. Doch daran ist gar nicht zu denken. „Hier haben wir aber auch menschlich positive Erfahrungen im Unglück gemacht“, berichtet der Skipper. „Segler, die den Törn schon bezahlt haben, verlangen ihr Geld angesichts der dramatischen Ereignisse nicht zurück.“
Fest steht für Wilts, dass er zusammen mit seiner Frau wieder in See stechen wird, so oder so, notfalls mit einem anderen Segelboot: „Wir wollen solange segeln, wie wir das können, wir freuen uns über jede Seemeile.“