Dublin/Essen. Der Billigflug-Anbieter Rynair hat eine neue Geldquelle aufgetan: Passagiere könnten in Zukunft für die Nutzung der Bordtoilette zur Kasse gebeten werden. Das regte Unternehmenschef Michael O'Leary im Frühstücksfernsehen der britischen BBC an. Was kommt als nächstes?

Kennen Sie das, wenn einen ein dringendes menschliches Bedürfnis ereilt und weit und breit kein Ort, sich zu erleichtern? Wenn Sie abhängig sind von der Freundlichkeit fremder Eisverkäufer und Kneipenbesitzer, die Ihnen gnädig den Weg zum WC weisen? Es könnte noch schlimmer kommen, demnächst. Es könnte Ihnen in mehreren tausend Metern Höhe passieren, irgendwo über den Wolken zwischen Alicante und Breslau.

Der Preis der Leichtigkeit

Beim irischen Flugunternehmen Ryanair nämlich denkt man über einen Umbau nach. Einen Münzschlitz wollen die Billigflug-Anbieter an den WC-Kabinen-Türen installieren – vielleicht. Das hat Ryanair-Boss Michael O’Leary mit fröhlichen Worten in einer Frühstückssendung der britischen BBC verlauten lassen: „People might actually have to spend a pound to spend a penny, in the future.“ Übersetzt heißt das: “Die Leute müssen in Zukunft vielleicht ein Pfund ausgeben, um aufs Klo zu gehen.“

Denn, sprudelt der Boss über die Low-Budget-Flotte heiter weiter, sein Unternehmen sinne ständig auf Wege, die Kosten von Flugreisen zu senken, darauf, sie „bezahlbar und leichter für alle Passagiere zu machen, die mit uns fliegen.“ Nun ja, die Leichtigkeit dürfte vielleicht ein wenig verloren gehen, wenn sich nur erleichtern darf, wer das passende Kleingeld zur Hand hat.

Leichtigkeit und Bezahlbarkeit seien übrigens auch Gründe, warum das Unternehmen seine Passagiere nur noch online einchecken lässt. Prima, meint O’Leary enthusiastisch, dann müsse man nie wieder in einer Schlange warten. Und ein Pfund habe doch wohl jeder dabei, der sich an Bord eines der großen Vögel mit dem Harfen-Logo begebe. Am Bahnhof müsse man doch auch zahlen für den Gang zum Klo.

Kein ganz überraschender Schritt

Bei aller Verblüffung: Ganz unerwartet kommt dieser Schritt nicht. Das Billigflug-Unternehmen bietet seine Dienste schon länger nach dem Baukasten-Prinzip an. Es geht los bei der Buchung: Online günstiger als am Telefon. Check-In? Lässt sich auch im Netz erledigen – äh, lässt sich nur noch im Netz erledigen. Gepäck haben sie auch noch? Kein Problem, für das erste Teil sind Sie mit 10 Euro dabei, für alle weiteren legen Sie noch einmal 20 drauf. Sie können sich am Rande eines automatisch betriebenen Förderbandes von Ihrem Koffer verabschieden. Sie würden gern essen in der Luft? Aber sicher, Brötchen reicht man Ihnen gegen Bares. Sie zahlen somit doppelt für den Bord-Schmaus: Sowohl bei der Nahrungsaufnahme als auch bei der Abgabe. Neuerdings dürfen Sie an Bord auch telefonieren: Über das Bordnetz werden pro Minute zwei bis drei Euro fällig.

Und überhaupt: Warum sollen wir „ein Pfund“ in den Münzschlitz stecken? Ist es die Rache revisionistischer Euro-Gegner, die die Kontinentaleuropäer nervös in den Hosentaschen kramend auf den Gang verbannen, weil die rechte Währung nicht zur Hand ist? Und das aus dem Munde des Iren O’Leary, dessen Land doch selbst längst die gemeinsame Währung benutzt.

Gut, ganz unrecht hat der Herr der Flieger nicht, wenn er auf die Bezahltoilette am Londoner Bahnhof verweist, wo man ja auch 20 Pence investieren müsse, wenn man muss. Aber wo soll das hinführen? Es geht immerhin um die Grundbedürfnisse und es gibt in der Luft nur einen Anbieter, der die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stellen könnte. Was kommt als nächstes? Die WC-Flatrate für Reizmagen- und Flugangst-Geplagte? Stehplätze für all jene, die keinen Sitzplatz gebucht haben? Sauerstoffmasken gegen Pfund-Noten?

Luxus-Ausbau der WC-Sparte geplant?

Immerhin eines bleibt bei Ryanair inklusive: Kunden erhalten bei Vertragsschluss im Internet die Option zum bevorzugten Einsteigen und eine Versicherung gleich dazu. Doch die Sache hat einen Haken, den aufmerksame Leser an dieser Stelle schon vermuten werden: Diese Extras kosten. Und man muss sie bei der Buchung bewusst ausschließen, wenn man nicht bezahlen möchte. Der Stiftung Warentest vergab für dieses Geschäftsgebaren in der aktuellen Studie zum Billigflug ein „Mangelhaft“, da diese Voreinstellungen im Online-Formular nach einer neuen EU-Verordnung nicht mehr erlaubt ist. Das Unternehmen gelobte inzwischen Besserung und versprach, die Einstellungen zu ändern.

Aber vielleicht ist auch alles ganz anders. Vielleicht möchten die irischen Flug-Anbieter einfach weg vom Billig-Image. Denn da gibt es einen Zufall, der eigentlich keiner sein kann: Im Londoner Nobel-Kaufhaus Harrods kostet die Benutzung der Wasser-Klosetts exakt den gleichen Preis. Nur gestaltet sich dort das Preis-Leistungs-Verhältnis ein wenig glücklicher. Für umgerechnet 1,12 Euro entleeren Sie sich dort zwischen Marmor und glänzenden Spiegeln, Gratis-Parfum ist selbstverständlich inklusive. Vermutlich baut Ryanair einfach nur das Luxus-Segment aus. Wir warten auf Nachricht von Massagesitzen und goldenen Wasserhähnen.

Inzwischen übrigens hat sich Ryanair auch zu einer Presseerklärung durchgerungen. Die ist so flapsig geraten, dass sie jede Glosse obsolet macht. Zu spät, Mister O’Leary wird der Ryanair-Kommunikationsabteilung sicher auch in Zukunft noch viel Freude bereiten.

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