London. . Seit zehn Jahren zelten Kriegsgegner vor der Westminster Abbey. Sie wollen den Platz auch am 29. April, dem Tag der Hochzeit von Prinz William und Kate Middleton, nicht räumen.

Hochzeiten bestehen nicht nur aus gülden geprägten Einladungen, Zuckerguss und Rüschenträumen. Diese Erfahrung müssen nun auch Kate und William machen: Seit Montag eskaliert vor Gericht der Streit um die Logenplätze bei ihrer Trauung. Dabei geht es nicht etwa um die Beckhams, sondern um eine muntere Schar von Kriegsgegnern. Seit zehn Jahren zelten sie vor der Westminster Abbey - jetzt sollen sie schleunigst verschwinden.

Brian Haw und Barbara Tucker sind den Mächtigen in der Hauptstadt schon lange ein Dorn im Auge: 2001 haben sie ihr Zelt auf einem kleinen Rasenstück zwischen Big Ben und Westminster Abbey aufgeschlagen, um gegen einen Krieg in Afghanistan zu demonstrieren. „Babymörder“ und „Kriegstreiber“ haben sie auf blutrote Plakate geschrieben, Fotos von toten Irakern auf die Kirchwiese gestellt. Sie haben gezetert und gewettert, gerne auch mit Flüstertüte, so dass Tony Blair sie im Parlament hören konnte. Nicht mal eine Bannmeile rund ums Parlament konnte sie vertreiben. Blair ist fort, Labour abgewählt, aber Barbara Tucker ist immer noch da, nach 3559 Tagen.

Doch für die sturen Hippies wird es jetzt richtig ernst: Seit Montag bemüht sich die Stadtverwaltung vor dem Obersten Gerichtshof des Landes um eine Erlaubnis, die 20 Zelte der Aktivisten räumen zu dürfen. Am besetzten „Parliament Square“ soll in zwei Monaten Kates Hochzeitskutsche von der Abbey zum Palast entlang fahren.

Establishment drängt auf Eierkuchen-Idylle

Das Establishment, das lange schon die „Verschandelung von Londons visueller Landschaft“ durch die Demonstranten kritisiert, drängt angesichts von Millionen Fernsehzuschauern bei der Hochzeit ganz besonders auf eine Eierkuchen-Idylle vor der Krönungskirche.

Tucker, die auch gestern wieder mit bunter Wollmütze und Billigparka die Stellung am Camp hielt, mag als Zaungast des pompösen Spektakels stören. Doch freiwillig wird die Bürgersteig-Piratin ihren Platz nicht räumen, und schon gar nicht für eine Prinzenhochzeit. „Der Krieg geht doch auch am Tag der Trauung weiter, auch dann werden Menschen leiden und sterben“, sagt sie.

In letzter Instanz hat ein Richter noch für die Aktivisten gestimmt – mit dem Großereignis gibt es allerdings plötzlich eine neue Faktenlage. Tausende Besucher werden sich am 29. April an der Kutschfahrt-Route drängeln, die Polizei pocht auf unbehindertes Wegerecht.

Im Friedenscamp ist ein mittelschwerer Krieg ausgebrochen

Zu allem Überdruss bröckelt auch die Front der Zeltkommune allmählich: Brian Haw, Großbritanniens prominentester Ober-Protestierer, unterzieht sich derzeit in Deutschland einer Krebstherapie. Mit seinem Abflug ist im Friedenscamp ein mittelschwerer Krieg ausgebrochen. Seine Anhänger beschuldigen andere Zelt-Hocker als „Agenten des Establishments“. Der Riss zwischen den benachbarten Polyester-Villen ist tief und verläuft, so versucht es die Hauptstadt-Presse zu verstehen, zwischen „Anti-Ahmadinedschadisten und der Pro-Palästina-Fraktion“.

Nicht einmal Londoner blicken noch durch diesen skurrilen Konflikt. Doch mit ihrem warmen Herzen für Exzentriker aller Art fänden viele es schade, wenn Tucker ihre Habseligkeiten für einen Prinzen packen müsste. „Gerade im Moment ist es doch wichtig, dass London der Welt zeigt, dass Redefreiheit und Protest nicht einfach niedergewalzt werden dürfen“, sagt Louise Burton, eine 31-Jährige, die auf dem Weg ins Büro Kaffee und Tee am Camp vorbeibringt.