London. Während der Fashion Week in London trifft auf den Laufstegen Art Deco auf Anarchie und Lust auf Angst und Schrecken. Die obligatorischen Magermodels sind teils blutüberstörmt und nackt.
Ein verschrobener Gruß an die Nostalgie, extravagante, verschwenderische Schauen mit blutüberströmten Models, dürre Damen und bissige Bemerkungen: London, die wilde, kleine Schwester der Modemetropolen Paris und Mailand, tobt sich bei der Fashion Week aus. Motto des diesjährigen Klamottenkarnevals: Art Deco trifft Anarchie.
Die Stil-Aristokratie des Königreiches trägt nicht Tweed und Wachsjacke, sondern Sonnenbrille – natürlich auch nachts. Minikleider in knalligen Farben auf absolut winterblasser Haut, dazu stets ein Glas Champagner in der Hand und eine Statement-Handtasche am Arm, so reiht sich der flippige Mode-Adel zur Parade auf.
Mit dabei in der ersten Reihe: Kate Moss, Gemma Arterton und Sienna Miller. Selbst der britische Regierungssitz gehört in diesen Tagen den „Fashionistas“: Samantha Cameron, Frau des Premierministers, begrüßte Claudia Schiffer in der Downing Street – und zwar gewandet in einen fliederfarbenen Rock mit galaktischen Mustern.
London Fashion Week
Angst und Schrecken lustvoll inszeniert
„Das Schöne ist ja, dass die Briten immer über sich selber lachen können“, kommentierte Anna Wintour die radikalen Außenseiter-Designs süffisant. Doch allein die Tatsache, dass die geschätzte und gefürchtete Vogue-Chefin extra aus den USA angereist ist, spricht für sich: Londoner Label gehören mittlerweile zur Weltklasse.
Den Modemachern an der Themse ist das freilich ganz egal. Lustvoll inszenieren sie Angst und Schrecken auf den Laufstegen, schocken mit abgedrehten Schnitten, wildem Haar – und mal wieder sehr mageren Magermodels.
Blutüberströmte, nackte Models
Charlie Le Mindu etwa schickt blutüberströmte, nackte Models auf die Bühne, lässt sie in Gasmasken oder nur mit einem durchsichtigen Schleier und lippenstiftverschmierten Mündern auftreten. Alice Temperley, heiße Design-Kandidatin für Kate Middletons Brautkleid, mischt hingegen Avantgarde und Nostalgie, bringt Retro-Roben im Stil der Zwanziger Jahre mit geometrischen Prints zusammen. Punk-Lady Vivienne Westwood baut aus britischen Karo-Mustern exzentrische Konstruktionen – und erteilt auf die alles dominierende Brautkleid-Frage gleich eine Absage im schönsten Fashion-Sound: „Kate Middleton soll erstmal mit der Mode Schritt halten. Von mir kriegt sie auf jeden Fall kein Kleid.“
Dass aber die Toleranz arg strapaziert wurde, bewiesen die allseits versteinerten Blicke in der Show von Erdem Moralioglu. Einer ganz und gar nicht amüsierten Premierministergattin zeigte der Jung-Designer Maxi-Kleider an skelettartigen Magermodels. Schon 2007 hat es der British Fashion Council trotz internationaler Diskussion nicht geschafft, Size-0-Mannequins vom Laufsteg zu verbannen. Die Mode-Industrie gehörte mit jährlich rund 25 Milliarden Euro Umsatz zu einer der wichtigsten - und mächtigsten - Kreativ-Branchen im Königreich.