Herne. . Der Herr des Mondpalasts von Wanne-Eickel feiert runden Geburtstag. Christian Stratmann wird 60. Er ist das jüngste von neun Stratmann-Kindern und Bruder des Doc.
Die Vorhänge wird er vermutlich auch am Donnerstag zurechtzuppeln, gucken, ob jeder ein Glas hat und gute Plätze. So ist er eben, der Christian Stratmann. Ein echter Gastgeber, beruflich und irgendwie auch berufen. Weil der Begriff Gastgeber aber in keiner Berufsberatungsfibel steht, nennt er sich Prinzipal.
„Theaterunternehmer“, sagt der Duden. Und Stratmann hat das Unternehmen Volkstheater im Ruhrgebiet zu ungeahnten Erfolgen geführt. Ein spätberufener Impresario von ab Donnerstag 60 Lenzen. Seinen Geburtstag feiert Stratmann – Herr über 900 Plätze und 100 Mitarbeiter – da, wo sein Erfolg in güldene Sichelform gegossen ist – im Mondpalast von Wanne-Eickel.
„Hier lacht der Ruhri“ steht in den Mondpalast-Statuten. Und Stratmann nimmt die Ansage ernst. „Wir haben eine andere Definition von Publikum“, erklärt Stratmann. „Wir haben keine Zuschauer, wir haben Gäste. Wer einen Gips hat, wird an den Rand gesetzt, wer klein ist, bekommt ein Kissen untern Po. Die Leute sehen: Da ist jemand, der kann entscheiden. Und es wird sofort entschieden.“ An neun von zehn Vorstellungsabenden steht der Prinzipal persönlich an der Türe. Was bei drei Häusern eine Leistung ist.
Beweglich sein, umtriebig, vor allem unverwechselbar, das sind Kennzeichen, die Christian Stratmann in seinem Berufsleben früh verinnerlicht hat. Damals schon beim Hamburger „Lesekreis Daheim“. Später dann in Essen, wo er gemeinsam mit seinem Bruder Ludger, „Doktor Stratmann“, das Europahaus übernahm. Die Wege haben sich inzwischen getrennt.
Für Christian, den „kleinen Bruder“, den jüngsten von neun Stratmann-Kindern, ist der Radius danach größer geworden. Neben dem Mondpalast, der es 2004 mit „Ronaldo und Julia“ gleich schaffte, eine langlebige Bühnen-Liaison zwischen Shakespeare und Schalke einzufädeln, führt Stratmann inzwischen auch die Wanne-Eickeler „Kammerspielchen“ und den Hertener Revue-Palast Ruhr. Die alte Heizzentrale der Zeche Ewald mit Travestie zu bespielen, war ihm eine Herzensangelegenheit – wie eigentlich alles im bewegten Berufsleben dieses Prinzipals. Die kurze Schaltung zwischen Herz und Hirn gehört zum Markenzeichen dieses Verlagskaufmannes, Bundesverdienstkreuzträgers, Lehrbeauftragten für Kulturmanagement und seit 2008 auch „Ehrenbürger des Ruhrgebiets“, wie Risikobereitschaft und Begeisterungsfähigkeit.
Ein Selfmademan und Unterhaltungs-Unternehmer. Einer, wie man sich ihn als schillernde Frontfigur der FDP eigentlich kaum besser ausdenken könnte. 2009 hat er für die Essener Liberalen um das Amt des Oberbürgermeisters kandidiert. Aus dem Job wurde nix, aber Stratmann hat bekanntlich genug zu tun.
„Garantiert Stratmann“, das ist inzwischen nicht nur in und um Herne ein Markenbegriff, patentgeschützt. Herne mag er: „Eine Stadt, die nicht vorgibt, was anderes zu sein.“ Wie sein Theater: kein gedrechselter Dramaturgen-Sprech, kein Kultur-Chichi. „Wir entsprechen nicht den Erwartungen des normalen Theaters“, sagt Stratmann. Und das zieht:
660 000 Besucher in sieben Mondpalast-Jahren, 95 Prozent Auslastung. Rund 80 Prozent der Gäste nehmen eine Anreise von bis zu 150 Kilometern in Kauf, auch mit Bussen. Stratmann kennt seine Gäste und versteht sein Geschäft. Und wenn alle Welt ums junge Publikum buhlt, sagt er: „Ich will auch die alten Leute“. Die Sonntagnachmittagsvorstellungen im Mondpalast sind inzwischen ein Verkaufshit.
Das „Stratmann“ ohne Stratmann ist für den Jubilar momentan jedenfalls „undenkbar“. Daumendrehen liegt ihm nicht. „Wenn mir was entgegen kommt, werde ich zugreifen.“