Moskau. . In Moskau leben – laut Schätzungen – 14 Millionen Menschen und rund drei Millionen Hunde. Bis zu 35 000 der Vierbeiner sind Streuner. Die russische Hauptstadt gibt jährlich angeblich umgerechnet 50 Millionen Euro für die wilden Tiere aus.
Das Gesicht des Mannes ist schwarz gebrannt vom Frost und vom Wodka. Sein Halbpelz starrt vor Dreck. Seine letzte Habe schleppt er in zwei Plastiktaschen mit sich. Als er vorbeigeht, stehen zwei Straßenhunde auf, die sich auf dem Rost eines Lüftungsschachts wärmen. Beide fletschen die Zähne, bellen wütend los. Als hätten sie den Obdachlosen zwischen den Passanten an der Moskauer Metro-Station Park Kultury gerochen.
Der Mann schimpft: „Maul halten, ihr Schweinehunde“, aber er zieht den Kopf dabei ein, läuft hastig weiter. Ein Penner, der sich vor zwei Straßenhunden fürchtet. In Moskau leben geschätzte 14 Millionen Menschen und drei Millionen Hunde. Die genaue Zahl der Vierbeiner ist noch ungewisser als die der Menschen, aber ihre Hierarchien ähneln sich. Da gibt es Wladimir Putins schwarzen Labrador Conny, der Russlands Premier auch bei offiziellen Empfängen begleiten darf. Oder die Bullterrier und Bichons der Reichen, die Dackel und Setter des Mittelstandes – aber auch die herren- und rassenlosen Straßenhunde. Moskau ist vernarrt in seine Hunde. Es gibt Hundefriseure, Hundeschwimmbäder (Besuche kosten umgerechnet 17 Euro) und Hundepsychologen (für 35 Euro die Stunde).
„Welpen werden sehr oft ausgesetzt“
Hunderte private Züchter bieten Rassehunde an, die sie oft in der eigenen Wohnung aufziehen. „Es gibt Wohnungen, wo über 100 Hunde hausen” sagt Irina Nowoschilowa, Leiterin des Tierschutzzentrums VITA. „Welpen, die sich nicht verkaufen lassen, werden sehr oft ausgesetzt.“ Auch der Nachwuchs vieler Haushunde landet auf der Straße, da die meisten Moskauer es ablehnen, ihre Tiere sterilisieren zu lassen.
Das Ergebnis: In Moskau treibt sich eine vierbeinige Stadtguerilla herum. Die Medien melden über 50 000 wilde Hunde, Behörden schätzen ihre Zahl auf zwischen 26 000 und 35 000. Besonders kluge Straßenhunde fahren Metro und wissen angeblich genau, an welcher Station sie umsteigen müssen. Die Zeitschrift „Russkij Reporter“ meldet, dass Streuner in Moskau jährlich 60 Menschen anfallen. „Tatsächlich beißen in den meisten Fällen Haushunde zu“, sagt Tierschützerin Nowoschilowa. „Vor allem Kampfhunde. Seit die in den 90er Jahren in Mode kamen, häufen sich schwere Biss-Verletzungen an Kopf und Hals.” Die Straßenhunde dagegen ernährten sich vor allem von Abfall, aber nicht von der Jagd.
Und nach Ansicht des Zoologen Andrej Pojarkow haben Moskaus wilde Hunde eine Nische besetzt, die sonst von Füchsen oder Waschbären beansprucht würde. Ein Teil der Moskauer kauft eigens Würstchen, um die herrenlosen Hunde im Park zu füttern, ein anderer Teil diskutiert im Internet, ob man diese besser mit Luftgewehren oder Rattengift ausrotten sollte.
50 Millionen Euro für Moskaus wilde Hunde
Moskaus Behörden lassen die Tiere seit 2002 nicht mehr töten, sondern versuchen, ihre Zahl durch Sterilisierung zu verringern. Vergeblich. Wie eine Tierärztin erzählt, melden die Tierkliniken um 50 Prozent überhöhte Zahlen sterilisierter Hunde. Die umgerechnet 60 Euro Honorar für das Fangen und Sterilisieren eines Hundes teilten sich Chefärzte und Aufsichtsbeamte. Wie der Umweltschützer Sergej Pasko sagt, gibt die Stadt Moskau jährlich umgerechnet weit über 50 Millionen Euro für das Fangen, Beherbergen und Sterilisieren wilder Hunde aus. „Zum Vergleich: Für Obdachlose sieht der Moskauer Haushalt knapp 25 Millionen Euro vor.“