Valderrobres. Hunderte Gänsegeier kreisen am Himmel. Sie sehen José Ramon Moragrega, setzen zur Landung an und nähern sich vorsichtig einem Haufen toter Kaninchen, die er für sie aus einer roten Schubkarre auf den Kiesplatz kippt.
Hunderte Gänsegeier kreisen am Himmel. Sie sehen José Ramon Moragrega, setzen zur Landung an und nähern sich vorsichtig einem Haufen toter Kaninchen, die er für sie aus einer roten Schubkarre auf den Kiesplatz kippt. Seit 21 Jahren wiederholt sich jeden Morgen das Ritual: Auf seinem Grundstück bei Valderrobres in den Bergen der spanischen Provinz Aragon verfüttert der 57-jährige pensionierte Seemann täglich bis zu 200 Kaninchen an die majestätischen Vögel, weil sie in freier Wildbahn nicht mehr genug Nahrung finden. Inzwischen sind der «Geiermann» und seine Tiere ein Touristenziel.
Geier haben Angst vor Menschen
"Ich brauchte drei Jahre, bis die Geier zum Fressen herunterkamen», sagt Moragrega. «Am Anfang war es eher ein Spiel. Morgens verteilte ich das Futter, abends sammelte ich es wieder ein. Als die ersten dann begannen zu fressen, habe ich mich sehr gefreut.» Die Geier hätten große Angst vor dem Menschen, der sie bereits seit der Antike verfolgt. «Wir sind ihr einziger Feind».
Die Kaninchenkadaver bekommt der «Geiermann», wie er sich selbst nennt, von einem örtlichen Schlachthof - für den menschlichen Verzehr taugen sie nicht mehr. Für die Gänsegeier jedoch sind sie ein Festschmaus: Nach einer halben Stunde haben sie alles vertilgt. An guten Tagen kommen bis zu 500 Vögel zu Moragregas Buffet - neben dem Futterplatz gibt es im «Geier-Palast» auch Tränken und Sitzstangen für sie.
Fast ausgerottet
Rund 80 Prozent der europäischen Geier leben nach Angaben des Forstaufsehers der Provinz Aragon, Esteban La Torre Abella, in Spanien. In den 70er Jahren wurden sie hier im Osten des Landes fast ausgerottet - durch den Städtebau und vergiftete Köder, mit denen die Bauern Füchse töten wollten. Seit 2002 machte den Aasfressern zudem ein EU-Gesetz zu schaffen, das es Landwirten wegen der drohenden Verbreitung der Rinderseuche BSE untersagte, Viehkadaver auf den Weiden liegen zu lassen.
Das Gesetz hatte zur Folge, dass einige Geierkolonien zu langen Reisen nach Frankreich, Deutschland und Belgien aufbrachen. Viele starben den Hungertod. Daraufhin änderte die EU das Gesetz ab: Seit April dürfen Bauern totes Vieh bei ausreichenden hygienischen Bedingungen liegen lassen. Laut Moragrega reicht dies jedoch zum Überleben der imposanten Raubvögel nicht aus: «Sie können mit dem bisschen Fauna, die wir ihnen gelassen haben, nicht überleben. Wir müssen ihnen helfen.»
Fünf-Sterne-Futtertrog
Forstaufseher Abella empfiehlt der Regierung, Moragregas Initiative zu übernehmen: «Sein Futtertrog hat fünf Sterne», er sichere das Überleben der hochsensiblen Tiere. Inzwischen hat Geierfan Moragrega zwei Beobachtungswarten eingerichtet, für die er eine Eintrittsgebühr zwischen vier und 15 Euro verlangt. Besucher werden gewarnt, nicht zu nah an die Glasscheiben der Warte heranzugehen und keine lauten Geräusche zu machen. Moragrega betont, auch nach zwei Jahrzehnten seien die Geier leicht in Panik zu versetzen: «Eine plötzliche oder ungewohnte Bewegung - und sie sind weg.» (afp)