Paris.. Radicchio und Rucola, Artischocke und Ananas – aber keine Frikadelle: „McDo ohne“ verzichtet ganz auf Hamburger. Es ist ein Pilotprojekt vor den Toren von Paris. Ein Besuch.

Die glänzende Edelstahlschale füllt sich rasch mit frischen Blättern: ein bisschen Radicchio und Rucola, dazu Feld- und Friseesalat. Angereichert wahlweise mit Artischocke und Ananas, Garnelen und Thunfisch, Schinken und Hähnchenbrust in Streifen. Dazu Schnittlauch oder Koriander, Basilikum oder glatte Petersilie – das Ganze verfeinert mit einer feinen Sauce, zum Beispiel einer Vinaigrette aus Olivenöl und Balsamico-Essig. Nun tritt als Krönung das heftig tanzende, alles zerkleinernde Wiegemesser in Aktion, und – voilà: das Mittagessen, serviert auf giftgrünen Tellern, ist fertig.

„Hmm, echt lecker“, sagt Axelle, eine 35 Jahre alte Bankmanagerin, über ihren Premierenbesuch in der ungewöhnlichsten McDonald’s-Filiale der Welt. Es ist die erste weltweit, die ganz und gar auf das verzichtet, was das Hamburger-Imperium so gigantisch und berühmt gemacht hat: den Burger.

„McDo ohne“ ist ein Pilotprojekt vor den Toren von Paris. In „La Défense“, einem modernen Geschäfts- und Dienstleistungszentrum im Westen der Seine-Metropole, drückt die Fast-Food-Kette demonstrativ auf die Bremse. Und nimmt eine Imagekorrektur um 180 Grad vor. Wohl auch weil Ernährungswissenschaftler die zunehmende Fettleibigkeit immer wieder auf den unkontrollierten Verzehr von XXL-Burgern, fetttriefenden Fritten und zuckersüßer brauner Brause, gerne verabreicht in Halbliterbechern, zurückführen. Für den, der sich bewusst ernährt, sind die in fade Brotscheiben gedrückten Fleischklopse der Inbegriff von „Junk Food“. In Frankreich nennen sie es naserümpfend „malbouffe“, was so viel heißt wie „Drecksfraß“.

„Die Kunden sind erstaunt und reagieren positiv“

Der verlangsamte Schnellimbiss kommt im Land des „Savoir-vivre“ anscheinend gut an. „Die Kunden sind erstaunt und reagieren positiv“, sagt Filialleiter Louis Esnon. Der smarte, erst 27 Jahre alte Chef, sammelte seine Erfahrungen bezeichnenderweise nicht in der Gastronomie, sondern als Marketing-Experte.

Seit Anfang November sorgt „Mc Café live“, so der Name des kleinen Pilotprojekts, für Aufsehen in „La Défense“. Über 150.000 Menschen arbeiten hier, die meisten verdienen überdurchschnittlich. „Das ist genau unsere Zielgruppe, deshalb dürfen wir auch ein wenig teurer sein als der Standard-McDo“, erklärt Louis Esnon.

Freitag kurz nach 13 Uhr, jetzt herrscht Hochbetrieb. Die Kunden, viele mit Notebooks und Smartphones, trinken zum knackigen Salat bevorzugt Perrier, Cola Zero oder Fruchtsaft, als Dessert gibt’s Obstsalat und danach grünen Tee – serviert auf Holztabletts. Passend zum biologisch-dynamischen Angebot das gemütliche Interieur: viel altes Holz, Edelstahl und Glas, statt kleiner Tische eine lange große Tafel in Holzoptik, Designerstühle statt Plastikhocker: Landlust im Hochhausviertel. Durchaus möglich, dass im Laufe des Jahres noch 20 weitere burger-freie Filialen in Frankreich hinzukommen. Nicht nur die Kunden, auch die Mitbewerber sind neugierig geworden, zum Beispiel die von „Quick“ und „Pizza-Hut“. „Sie geben sich bei uns die Klinke in die Hand“, sagt Louis Esnon augenzwinkernd.

Auch Frankreich ist längst eine Fast-Food-Nation

Die Zeiten, als der aufgebrachte Franzose José Bové einen Rachefeldzug gegen die Fast-Food-Branche führte und in spektakulären Aktionen McDonald’s-Filialen zertrümmerte, sind längst vorbei. Obwohl Gourmet-Paradies und Inbegriff exklusivster Sterne-Gastronomie ist Frankreich längst auch eine Fast-Food-Nation. Nach den USA gilt das Land der Bocuse, Ducasse und Senderens als größter Absatzmarkt von McDonald’s.

Der unaufhaltsame Vormarsch der Schnellimbisse hat vielerlei Gründe. So verbietet es der wachsende Stress im Job, sich so wie einst anderthalb Stunden in geselliger Runde, möglichst bei einer Flasche Bordeaux, an der reich gedeckten Mittagstafel zu versammeln. Hinzu kommt: Viele Franzosen beklagen den erschreckenden Niveauverlust in den Brasserien und Bistros, der pikanterweise auch noch flankiert wird von arroganten Kellnern und schlechtem Service. Saftig sind nicht nur die Steaks, sondern auch die Rechnungen.

1100 Filialen in Frankreich, Tendenz steigend

Mittlerweile zählt das französische McDonald’s-Imperium 1100 Filialen, Tendenz steigend. In Paris eröffnet bald der hundertste McDo. Selbst als die Hamburger-Kette unlängst in den Louvre, das prestigereiche Symbol der sendungsbewussten Kulturnation, zog, hielt sich der Aufschrei der politisch Korrekten in Grenzen.

Arnaud, 19, Student einer Wirtschaftsakademie in „La Défense“, isst gerne „steakfrites“, den französischen Mittagstisch-Klassiker, trotzdem hat er den „Toskana-Salat“ im burgerfreien McDonald’s genossen. „Ich werde wiederkommen“, sagt er.