Liverpool. .

Weltweit kämpfen Anhänger des Beatles-Schlagzeugers für den Erhalt des schäbigen Hauses. Neubauten sollen kommen.

Jan Mladek aus Prag hat Protest eingelegt. Und Albert Ankema aus Lemmer in den Niederlanden. Auch Bruno Fernandes aus Lima oder Carli Teixeira aus Brasilien reihten sich in die Front ein, gar ein gewisser Baba O’Reilly, was besonders auffällt, weil es sich hier ja offensichtlich um einen Fan der Who handelt. Im Angesicht der Katastrophe stehen sie jedoch alle zusammen, die Anhänger der Beatles, die Freunde der Pop-Legenden, die Nostalgiker und die Souvenirjäger. 3565 Unterschriften haben sie bereits gesammelt auf der Internet-Seite www.petition­online.com, um das Unfassbare, das Entsetzliche zu stoppen: den Abriss von Ringo Starrs Geburtshaus.

Der sentimentale Wert des Bauwerks erschließt sich nicht auf den ersten Blick.

Nummer 9 Madryn Street liegt in Dingle, einem Stadtteil von Liverpool, für den der Begriff „runtergekommen“ erfunden wurde. Überall in England gibt es sie, die trostlosen Reihenhäuser, hinter deren Tür sich „two up and two down“ befinden: zwei Zimmer Parterre, zwei im ersten Stock, alle winzig. Aber im Norden Englands, besonders in Liverpool, ganz besonders in Dingle, sehen sie noch ein bisschen schäbiger aus.

Ringo zog 1946 aus

Nummer 9 ist unschwer zu erkennen an den vielen Touristen, die sich auf der massiven Eisentür mit einem tränenreichen „Ringo forever“ verewigen. Ob der Adressat das immer mitbekommt, ist nicht sicher. Ringo, der damals noch Richard Henry Parkin Starkey Jr. hieß, zog 1946 aus. Auch der letzte Nachmieter hat das Haus längst verlassen. Das gesamte Viertel, die „Welsh Streets“, steht seit langem leer und wartet auf die Abrissbirne.

Viele Gegenstände von historischem Wert können sich also in der Madryn Street Nummer 9 nicht mehr befunden haben. In Ermangelung des Original-Kopfkissens oder wenigstens Ringos ungespülter Teetasse konzentriert sich die Sammlerwut auf das Mauerwerk, was das Bauamt mit Gegenmaßnahmen zu verhindern sucht. Die vielen tausend Fans aus aller Welt, die tagein, tagaus mit offenem Mund und kundiger Führung das Liverpool der Beatles suchen, fotografieren sich also inzwischen vor Eisentür, vergittertem Fenster und den übrig gebliebenen roten Ziegelsteinen.

Geplant ist eine großzügige Neubebauung. Häuser mit Zentralheizung, ein paar schicke Geschäfte. Die Beatles-Industrie, die in Liverpool eine große Rolle spielt, fürchtet um den Verlust eines weiteren Anlaufpunkts. Der Friseurladen in der Penny Lane, in den sich der Bankier vor dem Platzregen flüchtete, ist schon nicht mehr. Auch das Kinderheim in den „Strawberry Fields“ schloss seine Pforten. Wenn der National Trust, der landesweite Denkmalschutzverband, nicht Menlove Avenue Nummer 251, wo John Lennon mit Tante Mimi lebte, gerettet hätte und die Forthlin Road Nummer 20, wo Paul und John ihre ersten Songs im Wohnzimmer schrieben, in ein Museum verwandelt hätte, würde die „Magical Mistery Tour“ arg kurz ausfallen.

Ringo, der arme Hund

Zur Unterstützung eilte sogar ein hochrangiger Politiker. Wohnungsbauminister Grant Shapps bat die Stadtverwaltung von Liverpool, die Abrissentscheidung zu überdenken. Alternativpläne, wie etwa Abriss und Neuaufbau im „Liverpool Museum of Life“, stoßen nicht einmal beim prominenten Ex-Bewohner auf Unterstützung. „Wenn man sehen will, woher ich komme, funktioniert das nur, wenn das Haus in Dingle steht“, erklärte Ringo Starr, der die meiste Zeit seiner Kindheit im Krankenhaus verbrachte und heute in Kalifornien, der Schweiz und England (aber nicht mehr in Liverpool) wohnt.

Ein bisschen geht es auch um Gerechtigkeit. John und Pauls Häuser stehen unter Denkmalschutz, um George und Ringo kümmert sich keiner, klagt Marg Coburn aus Florida. Ringo, der arme Hund, dem sie jetzt auch noch das Geburtshaus demolieren – das ist wieder mal typisch.