Hagen..
Der Direktor der Landesanstalt für Medien, Jürgen Brautmeier, will die Medienkompetenz der Bürger stärken. Dazu brauche es kein eigenes Schulfach, wohl aber einen „Medienführerschein“, so Brautmeier im Interview mit der WAZ-Mediengruppe.
Die Landesanstalt für Medien (LfM) beaufsichtigt das private Fernsehen und den privaten Hörfunk in Nordrhein-Westfalen. Sie soll die Entwicklung der Medien durch Forschung begleiten und die Medienkompetenz fördern. Gleichzeitig ist sie Anlaufstelle für Beschwerden über Inhalte im privaten Rundfunk und im Internet. Martin Korte sprach mit dem neuen LfM-Direktor Jürgen Brautmeier, der seit gut drei Monaten im Amt ist.
Täuscht der Eindruck, oder spielt die Medienpolitik bei der neuen Landesregierung eher eine untergeordnete Rolle?
Jürgen Brautmeier: Das ist oberflächlich betrachtet zwar richtig, war aber vor den Wahlen auch nicht viel anders. Medienpolitik findet vor allem auf der fachlichen Ebene statt. Als Politiker kann man damit beim Wähler keine großen Lorbeeren gewinnen, sie ist nicht wahlentscheidend. Wenn Sie auf der Straße jemanden fragen, welches prominente Gesicht sich mit der Medienpolitik in NRW verbindet, bekommen Sie wahrscheinlich keine Antwort. Ich würde es begrüßen, wenn sich Politiker aller Parteien sichtbarer für die Medienpolitik engagieren würden.
Trotzdem bleiben die Medien auch in unserem Bundesland ein wichtiger Faktor für Arbeitsplätze.
Brautmeier: In der Tat, und dies nicht nur mit Blick auf Radio, Fernsehen, Film und Zeitungen. Ein besonderes Thema ist derzeit in NRW z. B. die weitere Entwicklung der Computerspiele-Branche. Sie wird heftig umworben. Aufgabe der Politik ist es, diese Branche verstärkt bei uns anzusiedeln und mit dem Film- und Fernsehsektor zu vernetzen. Im öffentlichen Bewusstsein spielt das zwar keine Rolle, es ist auch kein Thema für große Debatten im Landtag, wichtig ist es trotzdem.
Dass vor kurzem der Staatsvertrag zum Jugendschutz in den Medien gescheitert ist, war in diesem Zusammenhang sicher nicht hilfreich.
Brautmeier: Der Staatsvertrag war mit heißer Nadel gestrickt und an manchen Stellen noch unausgereift. Trotzdem schadet das Scheitern dem Ansehen der Medienpolitik. Aber vielleicht gibt es auch positive Folgen: Die Ministerpräsidenten müssen entsprechende Verträge in Zukunft intensiver vorbereiten und ihre Parlamente stärker einbeziehen.
Alle öffentlichen Einrichtungen stehen unter dem Druck, sparen zu müssen. Fast jedes Bundesland leistet sich eine eigene Landesmedienanstalt. Reicht nicht eine Anstalt für alle?
Brautmeier: Nein. Die Aufgaben, bei denen eine Vergemeinschaftung sinnvoll ist, können und werden ja auch bereits bundesweit geregelt. Dazu zählen etwa die Zulassung und Kontrolle der überregionalen Fernseh- und Radioprogramme und die Aufsicht über den Jugendschutz im Internet. Aber: Die Vielfalt in der deutschen Fernseh- und Hörfunklandschaft basiert auf unserem föderalen System. Das sollten wir nicht gefährden. Schauen Sie nach Frankreich, Italien und England – dort gibt es eine solche Vielfalt nicht. Zudem kommen die weiteren Leistungen, die unsere Landesmedienanstalt erbringt - etwa im Bereich der Medienkompetenzförderung und im Bürgerfunk – in erster Linie Einrichtungen in NRW zugute. Ich glaube nicht, dass unser Bundesland so gut abschneiden würde, wenn das Geld, das ausschließlich von den nordrhein-westfälischen Gebührenzahlern stammt, zentral verteilt würde.
Die technische Entwicklung findet in einem atemberaubenden Tempo statt. Das Internet ist als globales Medium von einzelnen Staaten kaum zu regulieren. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Medienkompetenz?
Brautmeier: Eine sehr herausragende. Die entscheidende Frage ist doch: Was mu tet sich unsere Gesellschaft mit dem zu, was durch das Internet auf uns und besonders auf unsere Kinder und Jugendlichen einwirkt? Alle gesellschaftlichen Gruppen müssen stärker und öffentlichkeitswirksamer als bisher an dieser Diskussion teilnehmen. Und wie stark werden wir durch Apple, Facebook, Google und Twitter beeinflusst? Welche Grenzen werden überschritten? Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Aber Gesetze sind schwerer umzusetzen, weil wir im Netz keine nationalen Grenzen kennen. Wenn der Anbieter einer Seite nicht in Deutschland sitzt, dann kommen wir kaum an ihn heran. Umso wichtiger ist deshalb die Medienkompetenz. Wir erforschen die Entwicklungen auch wissenschaftlich, veröffentlichen entsprechende Studien und versuchen so, derartige Themen ins Bewusstsein zu bringen und Fehlentwicklungen aufzuzeigen.
Brauchen wir also das Schulfach Medienkompetenz?
Brautmeier: Ein eigenes Fach halte ich nicht für unbedingt erforderlich, vielmehr ist der Umgang mit Medien ein Querschnittsthema für viele Fächer. Auch die Eltern sind aufgefordert, sich mit dem Medienkonsum ihrer Kinder zu beschäftigen. Wir haben deshalb zum Beispiel Informationsmaterial für Elternabende entwickeln lassen, die zu den Themen Mobbing im Internet, Computerspiele oder Handynutzung Orientierungshilfen bieten sollen. Wir befürworten auch, dass die Medienerziehung in der Ausbildung von Lehrern und Erzieherinnen eine größere Rolle spielt.
Andere Länder haben schon einen Medienführerschein eingeführt, der Jugendliche dazu bringen soll, die Entwicklung der Medien fundiert bewerten zu können. Wann kommt er in NRW?
Brautmeier: Das wird hoffentlich nicht mehr allzu lange dauern. Der politische Wille ist da, jetzt muss er umgesetzt werden. So lange ist die neue Regierung ja noch nicht im Amt, und wir sind als Landesmedienanstalt mit ihr darüber in sehr konstruktiven Gesprächen.
Themenwechsel: In NRW wurden Radiofrequenzen frei, die der britische Sender BFBS nicht mehr benötigt. Es gibt zahlreiche Interessenten, unter anderem die Zeitungsverleger.
Brautmeier: Das ist ein spannendes Thema. Es geht um sieben bis neun Frequenzen in der Rheinschiene und im Ruhrgebiet, unter anderem auch für Hagen. Damit lassen sich etwa 1,3 Millionen Hörer erreichen. Man kann damit aber keine neue landesweite Welle aufbauen. Vielleicht ziehen sich die Briten auch irgendwann einmal komplett zurück. Also bietet sich nun die Möglichkeit für Radioanbieter, in NRW einen Fuß in die Tür zu bekommen. Ich halte es allerdings nicht für sinnvoll, die einzelnen, schwachen Frequenzen neuen lokalen Interessenten zu übertragen, weil diese kleinen Einheiten wirtschaftlich nur geringe Chancen hätten. Die Zeitungsverlage in NRW, die schon Radio NRW betreiben und am Lokalfunk wirtschaftlich beteiligt sind, haben ihr Interesse an einer jugendorientierten zweiten privaten Welle signalisiert. Interesse gibt es aber auch bei Radiosendern aus anderen Bundesländern. Entscheiden wird am Ende die Landesmedienanstalt, wenn ihr die Landesregierung die Frequenzen formell zugewiesen hat.
Welche Rolle spielt die Zeitung in der neuen Medienwelt?
Brautmeier: Die Berichterstattung über den Nahraum, also über die Heimat, ist den Menschen sehr wichtig. Das wird so bleiben. Weil lokale und regionale Inhalte besonders interessieren, werden Regionalzeitungen also ihre herausragende Bedeutung behalten. Glaubwürdigkeit, Orientierung und Analyse sind generell die Stärken der Zeitung. Das alles wird in Zukunft allerdings nicht mehr nur auf Papier geschehen, sondern auch über andere Ausspielwege, zum Beispiel das Internet. Darauf müssen sich die Zeitungshäuser verstärkt einstellen.