Port-au-Prince. .

Nach dem Erdbeben kam der US-Schauspieler Sean Penn nach Haiti, um zu helfen. Sein Camp gilt als vorbildlich.

Man kann es sich gut vorstellen, wie hier noch vor einem Jahr die Oberschicht von Port-au-Prince Golf spielte. Wie sie sich nach dem Putten in diesem Clubhaus entspannte, am Pool sitzend, und wie sie den Blick über die tief unter ihr liegende Stadt und ihre Slums schweifen ließ. Nun wohnt er in dem gediegenen Natursteinhaus, Sean Penn, US-Schauspieler und Oscar-Preisträger, und nennt diesen Platz sein Zuhause. Aus dem Pool ist das Wasser herausgelassen, die Stühle der Bar stapeln sich als Relikte vergangener Zeiten. Sean Penn ist einer der Helden von Haiti, kein Obdachlosen-Camp ist so vorbildlich organisiert wie seines.

Vorbildlich organisiert und eben sehr amerikanisch. Mit dicken Jeeps ausgestattet, Funkgeräten und blauen T-Shirts und dem Signet seiner Hilfsorganisation bewegen sich die Mitarbeiter über das Gelände. Wie Macher das tun, nicht zögernd, sondern mit dem Impetus: Wir wissen, was wir tun, und wir machen es gut. Als Sean Penn nach Haiti kam, eine Woche nach dem Beben, war er nur einer von vielen Hollywood-Stars, die der geschundenen Insel helfen wollten. Die anderen begnügten sich mit guten Worten und Stippvisiten, er blieb.

Kritiker, die ihn der Angeberei bezichtigten, bürstete er in einem Interview des Fernsehsenders CBS ab und wünschte ihnen einen „qualvollen Tod an Enddarmkrebs“. So brachial kann er sein. Als er mit Pop-Ikone Madonna verheiratet war, in den 80ern war das, verprügelte er einen Fotografen. Später saß er nach einer Schlägerei einen Monat im Gefängnis.

Er ist unbequem, politisch links und vertritt seine Einstellung vehement. Auch in diesen Tagen wieder, als er andere Hilfsorganisationen in Haiti kritisierte sowie die Geber-Länder, die zwar viel Geld versprochen, aber letztendlich nicht oder zu wenig gegeben hätten. „Wenn diese Staaten... dafür gesorgt hätten, dass jeder Haitianer sauberes Wasser erhält, wenn die hierher gekommen wären, Leitungen verlegt und Filtersysteme installiert hätten, dann hätten wir heute keine Cholera-Epidemie.“ Ein Jahr nach dem Beben sähen die meisten Camps, so Penn, immer noch fast so aus wie damals.

Und genau so ist es leider auch. Port-au-Prince ist ein Jahr nach dem Beben kaum mehr als eine Ansammlung von Trümmern, die Camps ein schier unerträglicher Zustand für jene, die dort leben müssen. Das gilt auch für Sean Penns eigenes Lager. Hier lebt niemand gerne. Hier lebt nur, wer keine Alternative hat, wer nicht ins eigene Haus zurück, nicht zu Verwandten kann.

Und natürlich belächeln sie den helfenden Schauspieler auch in Haiti, speziell Mitarbeiter anderer Hilfsorganisationen. Belächeln, dass er, der gerade frisch geschiedene 50-Jährige, hier offenbar den Sinn fürs Leben suche. Doch seine Leistung, die erkennen sie alle an. Staunend spazieren sie durch sein Camp in Petionville, dem am Hang gelegenen Villenviertel. Was es dort nicht alles gibt: zwei Hospitäler, eine eigene Cholera-Insolierstation, eine Bibliothek, eine Schule, ein Kinderzentrum, Frisöre, einen kompletten Markt und vor allem - eine kleine Sensation in Port-au-Prince - eine funktionierende Müll-Entsorgung.

Elisa ist dennoch in Rage an diesem Tag. Sie, die Mutter von fünf Kindern, deren Mann beim Erdbeben starb, wohnt nicht nur in einem der unzähligen Zelte, sie hat einen kleinen Job übernommen, ist Ansprechpartnerin für die Menschen in Block A. „Nicht einmal ein Hund kann in dieser Situation leben!“, ereifert sie sich. In den nächsten Tagen, wenn der US-Sender CNN komme, werde sie ihre Wut, ihre Verzweiflung in die Mikrofone schreien.

Dabei sind schon einige von ihnen wieder zurückgekehrt in ihre Viertel. Denn anders als die meisten Hilfsorganisationen betreibt die von Sean Penn Wiederaufbau in Port-au-Prince. Beschäftigt die Obdachlosen, räumt Trümmer weg und siedelt die Erdbebenopfer in ihre Viertel zurück. 55 000 Menschen leben noch in Penns Camp. Er rechnet selbst damit, dass das Lager noch Jahre existieren wird, muss. Und auch er selbst will in Haiti bleiben. Noch lange.