Berlin/London. Vermieter haben die Mieten in London zuletzt immer wieder deutlich erhöht. Nun suchen Mieter nach Auswegen – mit drastischen Folgen.
Die Mietpreise in europäischen Metropolen sind in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen. Was einige Vermieter freut, ist für Mieterinnen und Mieter mitunter existenzbedrohend. In London suchen viele Menschen inzwischen nach kreativen Lösungen – und manch einer wittert Profit.
So berichtet unter anderem die BBC über ein neues Vermietungsmodell, mit dem Mieter deutlich günstiger davonkommen sollen, Mieter oder besser gesagt: „Live-In Guardians“. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Das Prinzip ist einfach: Menschen wohnen nicht in typischen Mietwohnung oder Häusern, sondern vorübergehend in verlassenen Gebäuden, etwa leerstehenden Büros, Kirchenräumen, ungenutzten Zweitwohnungen, verlassenen Schulen oder noch zu sanierenden Krankenhäusern. Die Besitzer der Gebäude sparen sich so den Sicherheitsdienst. Die „Mieter“ zahlen dafür deutlich weniger als die ortsübliche Miete.
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Die Gebäude sind dabei oftmals geräumig und befinden sich in Toplage, dafür sind sie vielleicht zur Renovierung oder zum Abriss vorgesehen und in einem entsprechend schlechten Zustand. Und die Sache hat noch einen Haken: Denn das Geschäft mit den „Guardians“ ist weitaus weniger streng reguliert als der reguläre Mietmarkt. So können diese etwa mit einer Frist von 28 Tagen gekündigt werden. Zum Vergleich: Mieter haben in Großbritannien in der Regel mindestens einen zweimonatigen Kündigungsschutz.
Dennoch lassen sich aktuell nicht wenige auf ein solches Arrangement ein. Rund 13.500 Menschen wohnen derzeit als „Guardians“, schätzt ein Branchenverband. Verglichen mit den elf Millionen Mietern im Land ist das noch sehr wenig. Allerdings steigt mit den Mietpreisen auch die Nachfrage für das Modell. Vermittleragenturen berichten der BBC von Zehntausenden Bewerbern.
Was als günstiger Lifestyle von Künstlern und Studenten begann, wird offenbar zunehmend zu einem Symptom der Probleme auf dem Mietmarkt. Die britische Regierung rechnet damit, dass etwa 300.000 Wohnungen allein in England jährlich gebaut werden müssten, um mit der Nachfrage mithalten zu können. Eine Situation ähnlich der hierzulande. 400.000 Wohnungen wollte die Bundesregierung pro Jahr bauen lassen, um Mieter und Käufer zu entlasten, erreicht hat sie ihr Ziel nie.
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Die Lage ist in Deutschland entsprechend angespannt. Im vierten Quartal 2024 erhöhten sich die Mieten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um durchschnittlich 4,7 Prozent. Das geht aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Die höchsten Steigerungen gab es demnach in Berlin (+8,5), Essen (+8,2) und Frankfurt (+8). Überdurchschnittlich hohe Zuwächse bei den Mietpreisen wurden auch in Leipzig und Düsseldorf verzeichnet. Ein Trend, der bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist.
Die Mittelschicht in Deutschland, traditionell ein Land der Mieter, wird davon hart getroffen. Mehrere Verbände haben nun auch gefordert die Wohnungspolitik vor den Neuwahlen am 23. Februar zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen. „Steigende Mietpreise bringen immer mehr Haushalte an ihre Belastungsgrenze, die Hälfte der Mieterinnen und Mieter in Großstädten hat Angst, die Miete künftig nicht mehr zahlen zu können“, erklärte Lukas Siebenkotten vom Deutschen Mieterbund am Dienstag in Berlin. Bisher spielte das Thema Wohnen im Wahlkampf allerdings kaum eine Rolle.
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lro mit AFP/dpa