Berlin. Hitze, Hochwasser, Eisschmelze: Das Wetterchaos lässt Archäologen um historische Funde bangen. Einige Schätze werden aber so erst sichtbar.

Ob im ausgedehnten Winterurlaub oder beim Kurztrip in die Berge: Der ein oder andere verbringt seine freien Tage gerade auf einer künstlich am Leben gehaltenen Skipiste. Dabei kommt es in diesen Wochen zwischen Dezember und Februar wie jedes Jahr in meinem Freundes- und Bekanntenkreis zu Gesprächen über den Klimawandel.

Vielleicht kennen Sie diese Klagen aus Ihrem Umfeld. „Es ist viel zu warm – wir haben doch Winter“ oder „Ich wünschte, wir hätten endlich mal wieder schön Schnee für mehr als einen Tag liegen“ sind Sätze, die dabei häufiger fallen. Bei diesen Gesprächen muss ich berufsbedingt unweigerlich auch an die Folgen für die Archäologie denken – und die Sie vielleicht überraschen könnten.

Klimawandel und Gletscherschmelze: Archäologen zwischen Freude und Frust

Eingeleitet habe ich mit einem winterlichen Thema. Und ein Großteil denkt beim Klimawandel wohl auch als Erstes an steigende Temperaturen und somit in der Regel an ein unaufhörliches Schmelzen der Gletscher. Das schwindende Eis und der Permafrostboden geben so immer schneller neue Funde preis. Das mag zunächst einmal spannend klingen. Aber eine große Herausforderung für uns Archäologen ist dabei, konservatorisch überhaupt hinterherzukommen, also die Funde zu sichern.

Ein weiteres Problem, das sich ergibt: Diese Fundplätze befinden sich meist eher an entlegenen Orten. Bevor die Objekte überhaupt entdeckt werden können, sind sie schon wieder zerstört – und das, obwohl sie über Generationen hinweg perfekt konserviert waren und mitunter sensationelle wissenschaftliche Schätze darstellen können.

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Schmelzendes Eis bringt man an anderer Stelle hingegen sofort mit steigendem Meeresspiegel in Verbindung. Küstenregionen auf der ganzen Welt sind dadurch bedroht. Hier gibt es gezielt Projekte, um archäologische Stätten vor ihrer Zerstörung zu dokumentieren, beispielsweise vom Deutschen Archäologischen Institut (DAI) auf den Rock Islands in Palau im Westpazifik. Die Monumente dort sind zudem, wie viele andere auch, durch Zyklone oder tropische Stürme bedroht.

Hitze und Hochwasser ermöglichen wertvolle Funde – mit einem Risiko

Starke Stürme und Regenereignisse gibt es leider auch zunehmend bei uns in Deutschland. Wir erinnern uns an die schrecklichen Bilder der Hochwasserkatastrophen der vergangenen Jahre. Reißende Flüsse und Bäche nehmen alles mit sich, was in ihrem Weg steht – und dazu gehören auch archäologische Flächen und Funde. Von der schlimmen Situation vor der Haustür geht es im Inneren weiter, wenn beispielsweise seltene Archive und Magazine von der Flut zerstört werden.

Dolmen of Guadalperal. The monument is within the Valdecanas reservoir in the Tajo River, Caceres, Spain
Das „spanische Stonehenge“, der Dolmen von Guadalperal, ist infolge einer Dürre in der spanischen Region Extremadura 2019 wieder sichtbar. © Alamy Stock Photo | Lucas Vallecillos / Alamy Stock Photo

Neben dem erwähnten Abschmelzen, der Erosion, den Fluten und Stürmen spielt aber auch extreme Hitze eine Rolle. Das Austrocknen von Gewässern hat in den vergangenen Jahren viele verschiedene archäologische Stätten freigelegt. So tauchten in der Donau deutsche Kriegsschiffe aus dem Zweiten Weltkrieg auf. Im Irak oder in Spanien war der Wasserstand in Stauseen so niedrig, dass eine 3400 Jahre alte Stadt und das etwa 7000 Jahre alte „spanische Stonehenge“ wieder an der frischen Luft lagen und besichtigt werden konnten.

Klimawandel für Wissenschaftler ein zweischneidiges Schwert

Beispiele für sensationelle archäologische Entdeckungen in Zusammenhang mit den genannten Extremwetterereignissen gibt es zuhauf. Dass diese Orte und Objekte in der Regel schnelle Betreuung und spezielle Konservierung brauchen, erscheint ebenfalls klar. Rein für die Wissenschaft ist der Klimawandel somit eine Art zweischneidiges Schwert. Wobei man zugeben, dass es wohl die wenigsten Archäologinnen und Archäologen stören würde, wenn die ein oder andere Sensation noch für ein paar Jahrzehnte geschützt im Boden, unter Wasser oder im Eis auf ihre Entdeckung warten würde.

Konstantin Kárpáty, Archäologe und FUNKE-Experte
Unser Archäologie-Experte Konstantin Kárpáty hat in München seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. © ZRB | Reto Klar

Unabhängig von dem zuvor beschriebenen Zeitdruck ermöglichen aber die Archäologie und andere Fachdisziplinen den Aufbau und die Erschließung großer Klimaarchive. Die zahlreichen Proben ermöglichen es, vergangene Wetterphänomene und Klimaschwankungen besser zu verstehen. Das Wissen, wie Menschen zu verschiedenen Zeiten mit den Bedingungen umgegangen sind, kann uns auch im Hinblick auf die Zukunft weiterhelfen.

Lesen Sie alle Folgen der Kolumne: Kárpáty gräbt aus – Geheimnisse der Archäologie

Klimawandel und Archäologie: Forscher denken um

Vom DAI (DAI - Klima & Archäologie) wurde hierfür das „Groundcheck“ Projekt ins Leben gerufen, in dem unter anderem ganz gezielt eben jenen Fragen nachgegangen wird. Was dabei untergeht, ist der eher praktische Blick auf das Arbeitswesen, die Forschung und die Lehre. Damit beschäftigt sich in Deutschland beispielsweise die AG „Klimakrise und Archäologie“ vom Deutschen Archäologen-Verband e.V. (dArV). Ich persönlich finde dabei vor allem die Frage spannend, wie archäologische Ergebnisse zu diesem Thema in die aktuelle Debatte rund um den Klimawandel wirkungsvoll eingebracht werden können.

Auch der Dachverband Archäologischer Studierendenvertretungen e.V. (DASV) beschäftigt sich mit dem Klimawandel und der Archäologie und nimmt dabei auch fachliche Aussagen kritisch ins Visier, die das öffentliche Verständnis der Thematik beeinflussen könnten. Ein weiteres Beispiel für die Brisanz des Themas ist, dass im Magazin „Archäologie in Deutschland“ im Jahr 2022 unter dem Titel „Klimawandel – Dürre, Hitze, Flut & Eis – Archäologie in Deutschland“ eine ganze Ausgabe über das Thema erschienen ist.

Unser Experte

Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin Kárpáty hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.

Rund um den Klimawandel wird munter diskutiert und gestritten. Vielleicht regt diese Kolumne auch Sie zum Nachdenken an, wie umfangreich und themenübergreifend dieses höchst aktuelle Problem ist. Ich persönlich würde mir wünschen, dass dieses Thema noch stärker in den Museen aufgegriffen, wo es nicht schon geschehen ist. Achten Sie doch bei Ihrem nächsten Besuch einer Ausstellung oder im Museum darauf – oder denken Sie daran, wenn Sie vom nächsten aufgetauchten Sensationsfund lesen.