Berlin. Der Vietnamese Thich Minh Tue pilgert barfuß nach Indien. Millionen folgen ihm dabei in den sozialen Medien. Was es mit dem Hype auf sich hat.

Der Mann, der in ganz Südostasien wie ein Popstar verehrt wird, trägt eine Kesa um den ausgemergelten Körper und meist ein Lächeln im Gesicht. Wo immer Thich Minh Tue auftaucht, ist er von einer Menschentraube umgeben. Hunderte wollen ihn von Angesicht zu Angesicht sehen, einen einfachen Mann, der nichts weiter als einen Reiskocher mit sich führt, von Almosen lebt und im Sitzen schläft.

Der 44-Jährige hat mittlerweile Hunderttausende Follower auf Facebook und Youtube, wo Anhänger seine Reise dokumentieren. Tägliche Videoclips, die einer seiner Begleiter postet, werden bis zu zwei Millionen Million Mal geklickt. Und das nicht nur in Vietnam, wo der Buddhismus nach anfänglicher Unterdrückung durch das sozialistische Regime wieder recht frei praktiziert werden kann. Genaue Angaben zur Zahl der Buddhisten im Land sind schwer zu bekommen. Es dürften bei einer Gesamtbevölkerung von fast 100 Millionen Menschen zwischen zehn und 20 Millionen sein.

Eigentlich ist Thich Minh Tue gar kein Mönch

Am 12. Dezember des vergangenen Jahres ist Thich Minh Tue zu seiner bisher größten Reise aufgebrochen. Sie soll ihn von Vietnam aus über Laos, Thailand, Myanmar, Indien und Nepal bis ins Himalaya-Königreich Bhutan führen. Es ist die Reise eines Popstars oder eines modernen Heiligen, je nach Betrachtungsweise.

Pilgerreise von vietnamesischem Mönch
Thich Minh Tue (Mitte) wird von Anhängern mit Speisen und Getränken versorgt. © DPA Images | Nguyen Thai Tam

Die Kesa, der traditionelle buddhistische Umhang aus Stoffresten, weist Thich Minh Tue als Mönch aus. Dabei ist er strenggenommen gar keiner. Die offizielle buddhistische Sangha (Gemeinschaft) von Vietnam betont, dass Thich Minh Tue kein Mitglied eines buddhistischen Klosters und damit auch kein Mönch sei. Der Popularität des 44-Jährigen schadet das nicht. Im Gegenteil: Weil die buddhistische Gemeinschaft Vietnams in den vergangenen Jahren vor allem durch Skandale um falsche Doktortitel und irreführende Auslegungen des Dharma, also der Lehre Buddhas, von sich reden machte, erscheint ein einfacher Asket als der ideale Gegenentwurf. Viele seine Anhänger sehen Thich Minh Tue als einen neuen Buddha, sind beeindruckt von seinem bescheidenen Lebensstil, der lediglich den Besitz von drei Kleidungsstücken und auch sonst kaum persönliche Habseligkeiten erlaubt.

Thich Minh Tue wird wie ein Popstar verehrt

In Vietnam hat sich Thich Minh Tue damit eine riesige Fangemeinde erschaffen. Wo immer er auftaucht, wird er von Hunderten Anhängern umringt. Mehrfach kam es vor, dass Menschen kollabierten – wahrscheinlich weniger aus Verzückung, sondern weil sie unter der sengenden Sonne einen Hitzschlag bekommen hatten. Im vergangenen Jahr schritten deswegen sogar die vietnamesischen Behörden ein. Wegen des großen Andrangs kam es Berichten zufolge zu Verkehrsbehinderungen und zunehmenden Sorgen um die öffentliche Ordnung.

Für kurze Zeit war Thich Minh Tue komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden. Seinen Mythos nährte dies umso mehr. Mittlerweile gibt es sogar einen regelrechten Devotionalienhandel rund um seine Person – bei Amazon werden T-Shirts mit seinem Konterfei verkauft, beim Onlinehändler Etsy kleine Statuen für knapp 50 Euro, die sich Anhänger auch in Deutschland auf das Armaturenbrett ihres Autos kleben können.

Pilgerreise von vietnamesischem Mönch
Thich Minh Tue (Dritter von links) mit Begleitern kurz vor seinem Grenzübertritt nach Laos © DPA Images | Nguyen Thai Tam

Jüngst hat Thich Minh Tue auf seiner fast 3000 Kilometer langen Barfußreise Thailand erreicht. Er schläft auch dort in freier Natur und natürlich weiter im Sitzen. „Wenn ich sehr müde bin, lehne ich mich an einen Baum oder eine Wand“, sagt er. Als Nächstes will er das Krisenland Myanmar durchqueren – jedoch ist nicht sicher, ob die dortigen Behörden dies genehmigen. Das frühere Birma versinkt seit einem Putsch 2021 in Chaos und Gewalt.

Einer seiner Begleiter, der 58-jährige Doan Van Bau, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei tief beeindruckt von der Demut des Mönchs. „Während der Reise mit Meister Thich Minh Tue habe ich gesehen, wie er sich strikt an die buddhistischen Gebote hält, bescheiden und geduldig ist und dabei enormes Mitgefühl und große Weisheit besitzt.“ Voraussichtlich im Mai will Tue Indien erreichen.

mit dpa