Berlin. Laut einer Studie sorgt auch der Mangel eines Bakteriums für das Verlangen nach Zucker – das könnte neue Behandlungen bei Diabetes möglich machen.
Zucker ist konzentrierte Energie und in Mangelzeiten überlebenswichtig. Tiere und Menschen haben deshalb über Millionen Jahre Evolution eine starke Vorliebe für zuckerhaltige Nahrung entwickelt, die bis heute fortwirkt. Doch in Zeiten von Dubai-Schokolade, Gummibärchen und Cola wird uns diese biologische Programmierung zum Verhängnis.
Der ständigen Versuchung durch Zuckerprodukte erliegen wir immer wieder, auch weil unser Gehirn und Darm noch für die Welt der Steinzeit programmiert sind. Das hat gesundheitliche Folgen: Übergewicht, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nur einige davon.
Eine der Ursachen für unsere Zuckersucht haben Wissenschaftler nun in unserem Darm gefunden. In einer neuen Studie haben sie dort ein Bakterium, das uns besonders Lust auf Süßes macht.
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Darmbakterien setzen appetit-hemmende Stoffe frei
Die chinesischen Forscher der Jiangnan-Universität haben herausgefunden, dass die Mikroorganismen Stoffe freisetzen, die als Hormone und Neurotransmitter kognitive Vorgänge beeinflussen. Damit wirken die Bakterien ähnlich wie Ozempic oder andere Medikamente, die den Blutzuckerspiegel bei Diabetes-Patienten senken. Ozempic wird auch als beliebte „Abnehmspritze“ von immer mehr Menschen ohne Diabetes genutzt.
Für die Studie verglich das Forschungsteam das Blut von 60 Typ-2-Diabetes-Patienten mit den normalen Blutwerten von Menschen ohne Diabetes. Dabei fiel ihnen die geringe Zahl des Proteins FFAR4 in den Blutproben der Diabetes-Patienten auf. Ein Vergleich zwischen dem Blut und Kot von mit Diabetes induzierten Mäusen und gesunden Mäusen ergab ein ähnliches Ungleichgewicht.
Das Protein FFAR4 aktiviert das Hormon GLP-1, das auch bei Ozempic gezielt nutzt wird, um Appetit und Blutzucker zu regulieren. Es führt zu einem Sättigungsgefühl, das die Gewichtsabnahme erleichtert. Eine niedrige Anzahl des Proteins könne umgekehrt einen erhöhten Blutzuckerspiegel sowie einen starken Appetit verursachen.
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Diabetes: Darmflora beeinflusst das Gehirn
Genetisch manipulierte Mäuse, bei denen das FFAR4-Protein ganz entfernt wurde, zeigten ebenfalls eine viel größere Vorliebe für Zucker als natürliche Mäuse. Den Mäusen wurde dabei eine typische Nahrungszusammensetzung, Nahrung mit besonders viel Fett sowie Nahrung mit besonders viel Zucker zur Wahl gestellt.
Nur warum haben Diabetiker weniger dieser Proteine? Durch das wachsende Bewusstsein für den Einfluss der Darmflora auf das Gehirn suchten die Forscher die Antwort bei den Bakterien. Und tatsächlich: Mäuse ohne das Protein und mit einer Vorliebe für Zucker haben eine andere Bakterienzusammensetzung im Darm: Vor allem der Mangel des Bakteriums Bacteroides vulgatus und dessen Stoffwechselprodukt, das Molekül Pantothenat, fielen in der Studie auf.
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Neue Behandlungsmethoden könnten auf Darmbakterien basieren
Einen ähnlichen Effekt konnten die Forscher auch in dem Stuhl von Menschen mit Diabetes nachweisen. Sie vermuten, dass Bakterien wie B. vulgatus eine Kettenreaktion auslösen: ihr Stoffwechselprodukt Pantothenat wird im Dünndarm freigesetzt, was den FFAR4-Spiegel erhöht und dadurch das Verlangen nach Zucker verringert. Versuchstiere und Menschen mit niedrigerem FFAR4 hätten umgekehrt dann ein erhöhtes Verlangen nach Zucker.
Pantothenat trägt außerdem indirekt zur Freisetzung des Hormons FGF21 in der Leber bei. Dieses Hormon beeinflusst den Hypothalamus, eine Gehirnregion, die das Ess- und Fressverhalten von Mensch und Tier steuert und somit den Energiehaushalt reguliert.
Die Forscher hoffen, dass die aus den Bakterien gewonnenen Moleküle dabei helfen könnten, wirksame Maßnahmen gegen den Zuckerrausch zu entwickeln. Die Studie veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Nature Microbiology“.
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