Berlin. Das sogenannte „Wolfsmenschen-Phänomen“, auch Hypertrichose genannt, sorgt für einen enormen Haarwuchs. Was hat es damit auf sich?

Er galt als „Wolfsmensch“ oder „Affenmensch“: Pedro Gonsalvus hatte freundliche braune Augen, ein hübsches Gesicht. Zugleich war sein Körper vollständig und enorm behaart. Der 1537 geborene Gonsalvus ist der erste überlieferte Fall von Hypertrichose, wie zum Beispiel eine im „International Journal of Physiology“ erschienene Studie zu dem seltenen Phänomen feststellt.

Seit dem Mittelalter wurden nur einige Dutzend Fälle dieses übermäßigen Haarwuchses dokumentiert. Die Haare wachsen oft im Gesicht, auf den Arme, dem Rücken und den Beine. Das Haar kann lang und dicht sein, wobei es manchmal das Gesicht so stark bedeckt, dass nur die Augen, die Nase und der Mund sichtbar bleiben. Ausnahme sind Fußsohlen und Handflächen.

DNA speichert genetische Erinnerungen

Die starke Behaarung wird durch eine Veränderung im Erbgut der betroffenen Personen verursacht, die den normalen Wachstumszyklus der Haare durcheinanderbringt. Es wird vermutet, dass ein uraltes Gen unserer behaarten Vorfahren für diese genetische Anomalie verantwortlich ist. Im Verlauf der Evolution des Homo sapiens hat der menschliche Organismus einige Gene deaktiviert, deren Funktionen nicht länger benötigt wurden. Diese Gene sind jedoch nicht verloren gegangen, sondern bleiben in unserem Erbgut inaktiv erhalten. Unsere DNA speichert somit nicht nur „aktuelles Wissen“, sondern auch Spuren aus der genetischen Vergangenheit.

Eine Mutation kann bei manchen Menschen ein uraltes, inaktives Gen wieder aktivieren. Dadurch wird ein längst vergangenes Merkmal unserer fernen Vorfahren erneut sichtbar: Die vollständige Behaarung.

Rückkehr der Urmerkmale: Spuren aus der frühen Evolution

Doch auch andere Phänomene werfen einen Blick in die Vergangenheit, wie das Geo-Magazin schreibt: Halsspalten etwa sind Reste von Kiemenbögen, die auf eine Zeit hinweisen, als unsere Ahnen noch im Wasser lebten. Ebenso können zusätzliche Brustwarzen auftreten, die sich von den Achselhöhlen bis zur Leistengegend ziehen – ein Phänomen, das man auch bei einigen Tieren wie Hunden und Schweinen findet. In seltenen Fällen wird auch ein verkürzter Schwanz sichtbar, der an die Zeit erinnert, als die ersten Primaten noch mit Schwänzen ausgestattet waren.

Diese Rückstände aus der Evolution sind nicht nur beim Menschen zu finden. Bei Walen wachsen in seltenen Fällen noch Hinterbeine, ein Hinweis auf ihre vierbeinigen Vorfahren. Auch Schlangen, die ihre Beine im Verlauf der Evolution verloren haben, zeigen in Ausnahmefällen rudimentäre Gliedmaßen. In der Vogelwelt finden sich Vögel mit Krallen an den Flügeln und selbst bei Verhaltensweisen gibt es solche Rückgriffe: So bauen manche Sperlinge statt ihrer typischen Nester kugelförmige Behausungen, ähnlich wie ihre Ahnen es taten.