Sydney. Eine Grundschule zeigt, wie Architektur Menschen in einer Millionenstadt verbindet – und wurde als bestes Gebäude der Welt ausgezeichnet.
Geschwungene Wände, ein Gebäude, das Natur, Kunst und Menschen mit einbezieht – gute Architektur kann unser Leben deutlich verbessern. Ein Gebäude zu entwerfen, bedeutet auch, in die Zukunft zu blicken – denn im Normalfall überleben die Mauern den Baumeister.
Wie sieht jedoch dieses Bauen für die Zukunft aus? Anregungen dafür erhält man, wenn man auf die eingereichten Entwürfe der Architekturpreise der Welt blickt, beispielsweise das 2024 World Architectural Festival in Singapur. Letzteres hat in diesem Jahr einen vielleicht überraschenden Sieger gekürt. Gewonnen hat nämlich kein in den Himmel ragendes Hochhaus, kein großzügig angelegter Universitätscampus und kein geschäftiger Verkehrsknotenpunkt wie die Neugestaltung des Changi-Flughafenterminals 2 des Gastgebers Singapur.
Einfach und bescheiden
Vielmehr schaffte es eine kleine australische Grundschule aufs Siegertreppchen. Das besten Gebäude der Welt ist – so formuliert es seine Architektin Elizabeth Carpenter vom Architekturbüro FJC Studio in Sydney – ein „einfaches“ und „bescheidenes“ Gebäude. Letztere beiden Stichwörter sind jedoch das, was die Welt in Zukunft vielleicht ganz besonders dringend braucht: „Einfachheit“ und „Bescheidenheit“ – denn sie gehen auch mit Nachhaltigkeit und Klimaneutralität zusammen.
Doch zurück zur kleinen Grundschule in Sydney: Carpenters Auftrag lautete, im Stadtteil Chippendale ein altes Schulgebäude aus dem Jahr 1975 zu ersetzen und ein kulturell geschmackvolles, sensibles Design mit diversen Lernbereichen zu kreieren.
Die Herausforderung wurde Carpenter und ihrem Team schon nach dem ersten Ortsbesuch an der Darlington Public School bewusst – die Schule liegt „in einem recht interessanten Teil Sydneys“, eingekeilt zwischen der altehrwürdigen University of Sydney und den Eisenbahnanlagen des nahen Hauptbahnhofs, die seit Jahrzehnten die Gegend mitbestimmen. Dazwischen reihen sich die so typischen „Terrace Houses“ der Innenstadt Sydneys – Reihenhäuser, die vor dem Hintergrund der glitzernden, gläsernen Skyline der Stadt oft zwergenhaft und eingequetscht wirken. Auf begrenztem Raum hier einen offenen, freundlichen Schulcampus zu gestalten – keine einfache Aufgabe.
„Nicht das Gefühl einer Institution erzeugen“
Carpenter war zudem wichtig, die lokale Gemeinde mit einzubeziehen. 25 Prozent der Schulkinder sind indigen. „Deswegen wollten wir wirklich nicht das Gefühl einer Institution erzeugen“, sagte die Architektin. Das Team wollte die Schule zum einen abschirmen, sie gleichzeitig aber auch einladend wirken lassen. Heraus kamen schließlich eine gewölbte Mauer und eine Fassade, die das Design der nahen Eisenbahnwerkstätte widerspiegelt. Auch das Ziegelwerk der alten Schule aus dem Jahr 1975 wurde mit aufgenommen.
Tatsächlich wirkt das Design auf den ersten Blick wie eine „liebevolle“ Festung, die die Kinder schützt, und dabei doch auch Einblicke in die dahinter liegende Landschaft, endemische Bäume und ein altes Flussbett gibt. „Man hat ein Gefühl von Privatsphäre und Sicherheit und gleichzeitig diesen wirklich einladenden Eingang“, so Carpenter. Die Kinder würden sich „sicher und geborgen fühlen“ – hinter einer wunderschönen Trennwand, die Licht und Luft durchlasse.
Letzteres ist vor allem im australischen Klima mit teils extrem heißen Sommermonaten besonders wichtig. Natürlich gebe es auch eine Klimaanlage, berichtete die Architektin, die eine Photovoltaikanlage zur Stromgewinnung ins Dach integriert hat. Doch an vielen Orten sei es gelungen, durch geschickte Durchlüftung für angenehme Temperaturen zu sorgen. Sie berichtet von einem großen überdachten, aber offenen Lernbereich, der mit der Schulhalle verbunden ist, und damit den Schutz des Gebäudes nutzt.
Kunst von Generationen von Familien
Die Konsultation mit den Kindern wie der lokalen Gemeinde führte dazu, dass vorhandene und neue Kunst zu einem weiteren zentralen Element des Designs wurde. Es habe allein hundert Wandgemälde gegeben, die Generationen von vor allem indigenen Familien auf den Schulmauern hinterlassen hätten, so Carpenter. Diese galt es in Teilen zu erhalten und Platz für neue Kunstwerke zu schaffen. Auch im Inneren finden sich Schätze indigener Kunst wieder: „Der neue Gemeinschaftsraum verfügt über wunderschöne Teppichwandbehänge mit Motiven, die die indigenen Schülerinnen und Schüler entworfen haben“, sagte die Architektin. Ein lokaler Indigener steuerte zudem Totems – Objekte mit spirituellem Wert für die lokale indigene Gemeinde – für die Klassenzimmer bei.
Um Kosten zu sparen, aber auch um die Kinder am Projekt teilhaben zu lassen, wurde ab 2019 in Etappen gebaut. Die Schule musste nicht komplett umziehen, vielmehr arrangierte man sich. „Die Kinder wurden beim Bau einbezogen“, erzählte Carpenter. Häufig hätten sie den Baggern und den Bauarbeitern durch die Bauzäune hindurch zugeschaut.