Sydney/Berlin. Trotz der eisigen Kälte boomt der Tourismus in der Antarktis – mit schlimmen Folgen für Tiere und Umwelt. Was Urlauber wissen müssen.
Eine Reise in die Antarktis, den Kontinent aus Eis, in eine der lebenswidrigsten und unberührtesten Regionen der Erde – das ist ein Erlebnis, das viele Menschen vor ihrem Tod erleben wollen. „Eine Kreuzfahrt in die Antarktis war schon seit jeher bei vielen auf der Bucket List“, berichtet die Kreuzfahrtmanagerin Kathy Pavlidis. Doch mit dem Ende der Covid-19-Pandemie seien die Buchungen in die Höhe geschnellt.
Dies bestätigen auch die Zahlen der International Association of Antarctica Tour Operators (IAATO), eine Organisation der Reiseanbieter, die nach der Unterzeichnung des Antarktis-Umweltprotokolls Anfang 1991 gegründet wurde. Im ersten Jahr der IAATO-Gründung kamen gerade mal 6400 Touristen, doch seitdem ist der Tourismus in der Region kontinuierlich gewachsen: Zwischen 1992 und 2020 verzehnfachte sich die Zahl der ankommenden Besucher. In der Saison 2019-20 kamen 75.000 Touristen auf den Kontinent aus Eis, über die Sommermonate 2022-23 waren es um die 105.000 und im letzten Jahr kletterten die Zahlen sogar über die 120.000. „Die Menschen sind an allem interessiert, was nicht dem Üblichen entspricht und kein Massenmarkt ist“, sagte Pavlidis. Dazu würden die Galapagos-Inseln und die Nordlichter genauso gehören wie die Antarktis.
Antarktis-Reisen: Vom Gemeinschaftsbad zur Luxusexpedition
Waren die ersten Antarktisreisen noch mit Booten, ausgestattet mit Etagenbetten und Gemeinschaftsbädern, so sind die meisten der heutigen Touren eher luxuriöse Angelegenheiten, die von den Teilnehmenden kaum Entbehrungen verlangen. Bis heute reisen die meisten Urlauberinnen und Urlauber jedoch per Schiff an und auch heute bevorzugen viele noch einen „Hauch von Expeditionsgefühl“. Da die Länder, die Tourismus und Forschung in der Antarktis betreiben, alle den Antarktisvertrag unterzeichnet haben, darf niemand dauerhafte Strukturen zur touristischen Nutzung errichten. Oder anders ausgedrückt: In der Antarktis gibt es keine Hotels.
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Lara Nestle, die mit ihrem Mann und ihren drei Kindern eine Kreuzfahrt in die Antarktis unternommen hat, bestätigt den Hype um den Kontinent aus Eis und sagt selbst auch: „Er ist es zu hundert Prozent wert.“ Die Antarktis sei ein Ziel, das eben nicht jeden Tag erreichbar sei und „irgendwie erscheint es auch zeitlich begrenzt, die Natur verändert sich dort jetzt schon“.
Deswegen gefährdet der Tourismus die Umwelt in der Antarktis
Der Klimawandel ist eine ernste Gefahr für die Antarktis und der Besucheranstieg hat einige Experten noch zusätzlich alarmiert. Denn während physische Abfälle wie Müll oder menschliche Ausscheidungen vom Kontinent entfernt und anderswo entsorgt werden, bleiben Abfallarten wie Rauch oder Ruß – und damit Kohlenstoffpartikel – zurück. Vor zwei Jahren haben Forscherinnen und Forscher der britischen Keele Universität in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ bereits beschrieben, wie sämtliche Proben aus menschlichen Ansiedlungen und Forschungsstationen auf einer 2000 Kilometer langen Strecke von der Antarktischen Halbinsel bis ins Innere der Westantarktis einen Rußgehalt aufgewiesen hätten. Dieser lag weit über den typischen antarktischen Werten und war damit ein klares Zeichen menschlicher Emissionen.
Erhöhte Rußwerte beeinflussen beispielsweise, wie Schnee Licht absorbiert, eine Eigenschaft, die als „Albedo“ bekannt ist. Schnee mit einer niedrigeren „Albedo“ schmilzt schneller. Insofern konnten die Forscher schlussfolgern, dass die Schneeschmelzrate wohl aufgrund menschlicher Aktivitäten gestiegen ist. Umgerechnet auf den einzelnen Besucher habe jeder Urlauber damit zwischen 2016 und 2020 effektiv etwa 83 Tonnen Schnee geschmolzen, so die Rechnung der Wissenschaftler.
Urlaub in der Antarktis: Worauf Besucher achten müssen
Auch Kreuzfahrtschiffe tragen zu diesen Emissionen bei und an manchen touristischen Hotspots sind die Auswirkungen des zunehmenden Besucherstroms ebenfalls deutlich zu spüren. So gab es bereits Berichte von Kreuzfahrtschiffen, die in der Fildes Bay Schlange standen, von Treibstofflecks, zertrampelten Pflanzen oder mit Graffiti übersäten historischen Bauwerken.
Die Tourismusbetreiber sind sich ihrer Auswirkungen auf die Umwelt jedoch inzwischen deutlich bewusst und beugen verstärkt vor. Vor Beginn der diesjährigen Antarktis-Saison 2024-2025, die von Oktober bis Anfang April geht, hat Aurora Expeditions, ein Anbieter von Expeditionsreisen mit kleineren Schiffen, beispielsweise angekündigt, ab sofort nur noch mit maximal 130 Passagieren zur Zeit zu reisen. Auch die IAATO hat vor Kurzem damit begonnen, den Treibstoffverbrauch von Kreuzfahrtschiffen in der Antarktisregion zu verfolgen, und einige Betreiber nutzen – wann immer möglich – Elektroantriebe, um den Ruß- und CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Passagiere werden von den Reiseanbietern zudem angehalten, bei Landungen in der Antarktis keine Lebensmittel oder Ähnliches mitzubringen oder sich in den Schnee zu legen. Lara Nestle berichtet zudem, welch großen Abstand sie zu Tieren halten mussten, so dass keine vom Menschen übertragene Bakterien und Viren die Tierwelt infizieren. Vor allem seit dem Ausbruch der Vogelgrippe in der Antarktis sei man nochmal vorsichtiger geworden. Beispielsweise seien ihre Schuhe nach jedem Landbesuch „penibel geputzt“, Pinguinkot entfernt und die Sohlen sterilisiert worden.