Braunschweig. Es ging um Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch. Doch der 47-Jährige konnte nicht überführt werden, so eine Richterin des Landgerichts Braunschweig.

Das Landgericht Braunschweig hat den auch im Fall Madeleine McCann verdächtigen Christian B. vom Vorwurf mehrerer schwerer Sexualstraftaten freigesprochen. Der 47-jährige Deutsche bleibt aber im Gefängnis, weil er noch bis September 2025 eine Haftstrafe wegen Vergewaltigung absitzt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kündigte gegenüber unserer Zeitung bereits eine Revision beim Bundesgerichtshof an. Viele Prozessbeobachter hatten mit diesem Ausgang gerechnet, nachdem das Gericht im Juli auf Antrag der Verteidigung den Haftbefehl gegen den mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter aufgehoben hatte.

Maddie-Verdächtiger Christian B. in Vergewaltigungsprozess freigesprochen

Das Braunschweiger Verfahren stand im Fokus internationalen Interesses, weil der Angeklagte im Fall der im Jahr 2007 verschwundenen dreijährigen Madeleine „Maddie“ McCann unter Mordverdacht steht. Alleine mindestens ein halbes Dutzend britische Medien waren am Dienstag im Braunschweiger Gericht. Der Fall ist aber nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens. Die Ermittlungen dazu gehen weiter, eine Anklage ist bisher aber nicht absehbar.

Nach 38 Verhandlungstagen und acht Monaten Prozess vor der Strafkammer in Braunschweig sprachen die drei Berufsrichter und zwei Schöffen den Angeklagten frei. Die Vorsitzende Richterin Uta Engemann sagte: „Der Rechtsstaat kann und muss das aushalten.“ Sie wisse sehr wohl, dass das Urteil nicht den „Erwartungen der Medien, der Stammtische und der breiten Bevölkerung“ entspreche. Darum gehe es aber nicht. „Richter haben einen Eid geschworen. Diesen Eid nehmen wir sehr ernst“, sagte Engemann.

Freispruch für Christian B. - 47-Jähriger bleibt in Haft

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    Vorwurf mehrerer schwerer Sexualstraftaten gegen Maddie-Verdächtigen Christian B.

    Christian B. waren zum Prozessauftakt im Februar drei Vergewaltigungen und zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern in Portugal vorgeworfen worden. Nach dem Ende der Beweisaufnahme blieb die Staatsanwaltschaft im Wesentlichen bei ihrer Überzeugung und forderte insgesamt 15 Jahre Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung. In diesem Fall hätte B. nach Verbüßung der Haft nicht entlassen werden können.

    Die Strafverfolger hielten ihn im Fall von zwei Vergewaltigungen und zwei Missbrauchsfällen für schuldig. Im Fall einer Vergewaltigung habe der Vorwurf nicht aufrechterhalten werden können. Bereits im Vorfeld hatte die Staatsanwaltschaft für den Fall eines Freispruchs eine Revision angekündigt.

    Vorsitzende Richterin am Landgericht Braunschweig: Zu viele Widersprüche, keine Beweise

    Mit ihrem Urteil folgte die Kammer im Wesentlichen den Forderungen der Verteidigung. „Das, was wir an Beweisen hatten, hat für eine Verurteilung des Angeklagten nicht gereicht“, sagte die Vorsitzende Richterin Engemann, und weiter: „Wir haben es mit unzuverlässigen, mit zum Teil das Gericht bewusst anlügenden Zeugen zu tun gehabt.“ Darauf könne die Kammer kein Urteil stützen. Weiter argumentierte sie, dass Zeugen durch die Berichterstattung über Christian B. in ihren Aussagen beeinflusst wurden. Der Angeklagte sei in den Medien „als Sexmonster und Kindermörder stilisiert worden“. Die Richterin nannte ausdrücklich die Bild-Zeitung.

    Die Vorsitzende Richterin schilderte in der Urteilsbegründung ausführlich die Widersprüche in den Aussagen der beiden Zeugen, die Videos von zwei der drei angeklagten Vergewaltigungen gesehen haben wollen. Beide hätten in ihren polizeilichen Vernehmungen im vorherigen Vergewaltigungs-Prozess 2019 und als Zeugen im aktuellen Prozess in vielen Punkten völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Die beiden Opfer wurden bis heute übrigens nicht gefunden.

    Dem Opfer der dritten Vergewaltigung, die vor dem Gericht aussagte, glaubte die Kammer zwar die Tat – nicht aber, dass sie den Angeklagten nur anhand der Augenfarbe wiedererkennen könne. Christian B. nahm den Freispruch ohne jegliche äußerliche Regungen auf. Sein Verteidiger Friedrich Fülscher bezeichnete das Urteil als „absehbar“. Wenn die Ermittler im Maddie-Fall ähnliche Fehler gemacht haben sollten, sehe er „schwarz“, so Fülscher nach der Urteilsverkündung.