Berlin. Unter einem Park in Warschau haben Archäologen einen Tunnel entdeckt. Wofür er gebaut wurde? Unklar! Doch es gibt aufsehenerregende Theorien.

Stanisław Kostka Potocki, ein einflussreicher polnischer Staatsmann, Schriftsteller und Kunstmäzen, schuf in Warschau Anfang des 19. Jahrhunderts ein bedeutendes Vermächtnis: den Park Gucin Gaj, benannt nach seinem Enkel August Gucin. Die Anlage, bestehend aus einem kleinen Herrenhaus, einem Ziergarten, einem Landschaftspark, einem Teich und mehreren Wirtschaftsgebäuden, war als Rückzugsort und Sommerresidenz gedacht.

Heute ist von der ursprünglichen Anlage nur noch wenig erhalten – zumindest oberirdisch. Denn unter der Erde haben Archäologen kürzlich ein ausgedehntes Tunnelsystem entdeckt. Wer hat es erbaut und wozu war es gedacht?

Mysteriöser Tunnel unter dem Gucin Gaj: Diente er den Freimaurern oder als Wasserreservoir?

Der U-förmige Tunnel unter dem Gucin Gaj ist mehr als 60 Meter lang und Teil des Warschauer Tunnelsystems aus dem 17. Jahrhundert. Durch die Zusammenarbeit des Archäologischen Instituts der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität und des Warschauer Denkmalamtes wurden Mauern aus dem 19. Jahrhundert freigelegt, die den Eingang aus der Zeit Potockis markieren. Zudem wurden auch ältere Ziegelbauten aus dem 17. Jahrhundert entdeckt.

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Wozu genau der Tunnel einst errichtet wurde, ist noch unklar. Eine Theorie besagt, dass er ursprünglich Teil einer Wasserzisterne oder eines Eiskellers war, aus denen das nahegelegene Schloss Wilanów versorgt wurde. In Aufzeichnungen von Augustyn Locci, dem Hofarchitekten von König Jan III. Sobieski, werden entsprechende Anlagen erwähnt.

Eine andere Theorie bringt den Tunnel mit der Freimaurerei in Verbindung. Einen Hinweis darauf, dass dieser Ansatz nicht ganz von der Hand zu weisen ist, liefert das offizielle Denkmalregister Polens. Darin wird der Tunnel, der bislang als verschollen galt, „Freimaurergrab“ genannt.

Zwar gibt es keine zeitgenössischen Quellen, die ihn eindeutig mit Zeremonien der Freimaurer in Verbindung bringen. Doch die Tatsache, dass Potockis selbst Freimaurer war und bis zum Großmeister aufstieg, sorgt für weitere Spekulationen. Trafen sich in dem unterirdischen Bauwerk einst die Freimaurer? Die Verschwiegenheitspflicht der Freimaurer, die ihre Bräuche und Logenangelegenheiten geheim halten, lässt solche Spekulationen zumindest plausibel erscheinen.

Gucin Gaj: Ein bleibendes Erbe trotz wechselnder Besitzer

Nach Potockis Tod 1821 wechselte das Anwesen mehrfach den Besitzer. Im Jahr 1895 ging es an Franciszek Ksawery Branicki, einen polnischen Generalleutnant und Großherzog der polnischen Krone. Sein Sohn Adam Branicki teilte das Gelände vor dem Zweiten Weltkrieg und verkaufte Teile des Parks an die Gemeinde der nahegelegenen Katharinenkirche. Nach dem Krieg wurde der Park schließlich verstaatlicht.

In den 1990er Jahren gab es Absichten, das Gelände an niederländische Investoren zu verkaufen, die auf der ehemaligen Parkanlage einen Supermarkt errichten wollten. Diese Pläne scheiterten jedoch, da die Erben Potockis ein Restitutionsverfahren einleiteten. So blieb Gucin Gaj ein bleibendes Vermächtnis eines bedeutenden polnischen Adligen, Staatsmannes und engagierten Freimaurers.