Rom. Es ist eine Fahrradtour der Superlative: 13 Länder durchquerten die beiden Radler aus Italien. Doch ihre Reise hielt einige Risiken bereit.

Es ist die Krönung ihres Traums. Und eigentlich können die beiden Venezianer es kaum fassen, dass sie so etwas geschafft haben. „Wir sind ja schließlich nicht mehr die Jüngsten“, scherzt Alberto Fiorin (64), der mit seinem Freund Dino Facchinetti (67) per Rad die Seidenstraße von Venedig in Italien nach Peking zurückgelegt hat. Sozusagen auf den Spuren des großen Entdeckers Marco Polos, dessen 700. Todestag in diesem Jahr in Venedig groß gefeiert wird.

Was die beiden Radler zu erzählen haben, lässt staunen: 10.300 Kilometer haben sie in 100 Tagen hinter sich gelassen, dabei 13 Länder durchquert. Es ging von Venedig über den Balkan, die Türkei bis in den Fernen Osten und nach China. Etwa 125 Kilometer am Tag standen auf dem Programm. Am 1. August dann der Jubel: Wie Helden seien sie bei ihrer Ankunft in Peking gefeiert worden, so Fiorin. „Es war uns schon fast peinlich.“

Venedig: Italiener durchqueren mit dem Fahrrad Wüsten auf dem Weg nach China

An Schwierigkeiten mangelte es während der langen Reise nicht: „Die größte Herausforderung war die Durchquerung der Wüsten, zuerst in Turkmenistan und dann in China in der autonomen Provinz Xinjiang, auf der Höhe der Turpan-Senke bei 48 Grad Hitze“, erzählt Fiorin, ein auf Reiseliteratur spezialisierter Schriftsteller und Präsident des venezianischen Fahrradclubs „Pedale Veneziano 1913“, gegenüber dieser Redaktion.

Auf den Spuren Marco Polos: Venezianer radelten bis Peking
Von Venedig nach Peking: Diese mehr als 10.000 Kilometer umfassende Radtour legten die Italiener Alberto Fiorin (l.) und Dino Facchinetti zurück. © Facebook | Marco Polo a pedali

Die Vorbereitung ist bei so einer Tour die halbe Miete, alles muss genau durchdacht sein. „Die Planung hat circa acht Monate erfordert“, berichtet Fiorin. „Wir mussten zwischen Kriegsgebieten reisen. Daher haben wir eine Route planen müssen, um sicher fahren zu können. Das war angesichts der derzeitigen Kriegsszenarien nicht einfach.“ In vier Großetappen haben die beiden Venezianer die lange Route zurückgelegt. Die erste führte sie über den Balkan, die zweite über die Türkei, die dritte über Zentralasien, darunter Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan und Kirgisistan. Zuletzt radelten die Freunde die 4500 Kilometer lange Strecke in China bis nach Peking.

Die Fahrräder haben die Extrem-Tour unbeschadet überstanden

Was das Duo wirklich überrascht hatte, war, dass die Fahrräder die Strapazen unbeschadet überstanden haben. „Das ist wirklich unglaublich. Wir haben nur einen Reifen wechseln müssen, weil er einen tiefen Schnitt hatte“, so Fiorin. Die Räder waren auch nicht überladen, denn das Gepäck wurde aufs Minimum reduziert. „Wir hatten nur Schlafsäcke bei uns, auf Zelte haben wir verzichtet. Nur drei Nächte mussten wir im Freien übernachten“, erzählt Fiorin. Ansonsten haben sie in kleineren Pensionen, oder bei Einheimischen übernachtet.

Auf den Spuren Marco Polos: Venezianer radelten bis Peking
Von Venedig nach Peking: Zwei Italiener radelten auf den Spuren Marco Polos bis nach China. © Facebook | Marco Polo a pedali

Fiorin ist ein Routinier auf dem Rad. So ist er bereits in den vergangenen Jahren von Venedig zum Nordkap geradelt oder schon mal 7000 Kilometer von Venedig bis Dakar zurückgelegt. Und auch im Alltag fährt er nur Rad, ein Auto besitzt er nicht, den Führerschein hat er nie gemacht. „Ich bin in der Altstadt Venedigs geboren, wo es keine Autos gibt. Mir gefällt das langsame Reisen, man kann damit die Umgebung besser kennenlernen und genießen. Außerdem mag ich physische Anstrengung“, erzählt er mit einem gewissen Stolz.

Von Venedig nach Peking: Was die Radfahrer am meisten bewegt hat

Die sportliche Herausforderung sei schon ein großer Reiz, doch auch das Zwischenmenschliche gebe ihnen viel. „Was uns am meisten bewegt hat, waren die Begegnungen mit den Menschen aller Nationalitäten und Gesellschaftsschichten. Alle waren offen und hilfsbereit, haben uns Mahlzeiten oder einfach nur ein Getränk angeboten. Vor allem die Chinesen sind ein gastfreundliches Volk, das neugierig auf unser Vorhaben war“, so Fiorin. Was beide allerdings nicht so schön fanden, ist, „dass in China die Zweiräder als Fortbewegungsmittel immer häufiger von Elektrofahrzeugen, Mopeds und Rollern verdrängt wurden“, heißt es.

Wichtig sei nicht nur, dass die Räder stabil sind, sondern auch die Freundschaft. „Mit Facchinetti habe ich schon viele Reisen unternommen. Wir sind inzwischen ein perfektes Duo“, so Fiorin. Das Reisen zu zweit sei ideal. „Ich hätte diese lange Reise nie allein unternommen, das wäre zu anstrengend gewesen. Mit einer größeren Gruppe zu fahren, wäre dagegen schwierig, weil nicht alle dasselbe Tempo einhalten können.“ Die Seidenstraße zurückgelegt zu haben, war immer ihr Ziel. „Wir Venezianer leben im Mythos des Entdeckers Marco Polo. Die Schule, die ich als Kind besuchte, war nach ihm benannt.“

Venedig: Marco Polo ist der berühmteste Bürger der Stadt in Italien

Und in diesem Jahr erinnert eine große Ausstellung im Dogenpalast noch bis Ende September an Venedigs berühmtesten Bürger. Seine Geschichte hat auch die beiden Radfahrer immer fasziniert: 1271 trat Marco Polo im Alter von 17 Jahren zusammen mit seinem Vater Niccolo und seinem Onkel Maffeo im Auftrag von Papst Gregor X. eine Reise Richtung Osten an, die ihn an den Hof des Kublai Khan führte. Als dessen Botschafter wurde Marco Polo in viele Provinzen des riesigen Reiches entsandt. Nach 24 Jahren kehrte er nach Venedig zurück, lebte dort als erfolgreicher Kaufmann.

Auf den Spuren Marco Polos: Venezianer radelten bis Peking
Bei ihrer Fahrradtour von Venedig nach Peking mussten Alberto Fiorin und Dino Facchinetti nur einen Reifen wechseln. © Facebook | Marco Polo a pedali

In einem Buch mit seinen Reiseerinnerungen „Il Milione“ (dt. Übersetzung: „Die Wunder der Welt“) versorgte er die Europäer mit Informationen über das Königreich der Mongolen, den Fernen Osten sowie speziell über China, Indien und Japan. Mit knapp 70 Jahren starb Marco Polo als hochgeachteter Kaufmann in seiner Heimatstadt in Italien. Lange her. Doch Fiorin und Facchinetti fühlten sich der Legende 100 Tage lang sehr nah.