Berlin. Ein Schiffswrack zwischen Marokko und Spanien ist das erste seiner Art. Als Tarnung ließen sich die Piraten etwas besonderes einfallen.

Legendäre Piraten, das waren Blackbeard, Henry Morgan oder Sir Francis Drake. Die meist britischen Freibeuter enterten im Auftrag Ihrer Majestät spanische Schiffe, bevor sie später auf eigene Faust den Atlantik unsicher machten. Doch die Geschichte der Piraterie beschränkt sich nicht nur auf die Karibik und das goldene Zeitalter der Piraten zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Ein bemerkenswertes Schiffswrack, das Archäologen in der Straße von Gibraltar gefunden haben, gibt Aufschlüsse über das Treiben der gefürchteten Barbaresken-Piraten.

Bereits 2005 spürten Wrack-Jäger das Schiffswrack im tiefen Wasser zwischen Spanien und Marokko auf. Das Wrack aus dem 17. Jahrhundert sei das erste Schiff, das im Herzland der Barbarei entdeckt wurde, berichtet der Meeresarchäologe Sean Kingsley, Chefredakteur des „Wreckwatch Magazine“ gegenüber „Live Science“. Als es sank, war das Schiff schwer bewaffnet und laut dem Entdecker auf dem Weg zur spanischen Küste, um Menschen zu versklaven.

Als Barbarei wird das Kernland der meist muslimischen Piraten (auch Korsaren genannt) bezeichnet, das in den Küstenregionen Nordafrikas, dem heutigen Marokko, Algerien, Tunesien und Lybien liegt. Die Barbareskenstaaten finanzierten sich zur Zeit der osmanischen Herrschaft vor allem durch Seeräuberei, Menschenhandel und Lösegeldzahlungen. Wegen ihrer Einnahmequellen wurden sie auch als Piraten- oder Seeräuberstaaten bezeichnet.

Archäologie: Schwer bewaffnetes Piratenschiff tarnte sich als Handelsschiff

Im Wrack fand ein ferngesteuertes Tauchboot vor allem Töpfe und Pfannen, die in der Stadt Algier produziert worden waren. Ist das Schiff gar ein Handelsschiff? Wohl eher nicht. Den Entdeckern zufolge handelt es sich bei der Ladung eher um eine Tarnung, um nicht von französischen, englischen oder spanischen Kriegsschiffen festgesetzt zu werden.

Die Überreste des Schiffs liegen in der Straße von Gibraltar in rund 830 Meter Tiefe. Das Korsaren-Schiff war mit 14 Metern ein verhältnismäßig kleines Piratenschiff. Laut den Forschern könnte der Schiffstyp eine Tartane sein, eines der am weitesten verbreiteten Segelschiffstypen im Mittelmeer, das auch mit Rudern bewegt werden konnte. Die Tartane hatte dreieckige Segel und zwei Masten.

Die US-Marine lieferte sich im Jahr 1804 Gefechte mit der Barbaresken-Flotte, weil die USA Tributzahlungen nicht nachkommen wollte. © picture-alliance / newscom / Picture History

Das unscheinbare Äußere hatte einen Vorteil: sie wurden häufig mit Fischerbooten verwechselt, sagte Kingsley bei „Live Science“. Mit dem Tauchboot entdeckten die Forscher vier Kanonen, 10 Drehbassen (drehbare Geschütze) und viele Musketen für ungefähr 20 Piraten. Die Funde verstärken den Verdacht, dass es sich um ein Schiff der Barbaresken-Korsaren handelt.

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Tauchboot findet Beute aus Deutschland an Bord des Piratenschiffs

Außerdem fanden die Entdecker ein für die Zeit extrem seltenes Fernrohr, das wahrscheinlich von einem europäischen Schiff erbeutet wurde. Bei anderen Objekten wie Alkohol-Flaschen aus Belgien und Deutschland könnte es sich ebenfalls um die Beute der Piraten handeln. „Das war kein normales nordafrikanisches Küstenhandelsschiff“, zitiert „Live Science, den Leiter der Expedition, Greg Stemm.

Die von Stemm gegründete amerikanische Firma Odyssey Marine Exploration (OME) lokalisierte das Schiffswrack bereits 2005. Die Expedition war eigentlich auf der Suche nach den Überresten des englischen Kriegsschiff HMS Sussex. Das 80-Kanonen-Linienschiff ging 1694 in einem Sturm vor Gibraltar unter. An Bord der Sussex soll sich ein 10 Tonnen schwerer Goldschatz befinden, nach dem mehrere Schatzsucher fahnden.

Barbaresken-Piraten waren brutale Sklavenhändler

„Wie so häufig fanden wir auf der Suche nach einem spezifischen Schiffswrack viele andere, niemals zuvor gesehene Stellen“, zitiert „Live Science“ den Gründer von OME, der gleichzeitig Leiter der Expedition war. Darunter seien etwa ein römisches und phönizisches Schiff. Von ihrer Suche berichtet Stemm in einem Artikel im „Wreckwatch Magazine“.

Insbesondere die Straße von Gibraltar galt als Hauptjagdgebiet der Barbaresken-Piraten. An den Küsten von Spanien, Portugal, Italien und sogar England raubten sie Menschen, um sie auf dem arabischen Sklavenmarkt zu verkaufen. Zwischen 1530 und 1780 sollen durch die Piraten bis zu 1,25 Millionen Menschen versklavt worden sein. Ihre Macht endete abrupt, als die Vereinigten Staaten, Schweden und das Königreich Sizilien die Barbareskenstaaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts militärisch besiegten.

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