Berlin. Bereits während der Jungsteinzeit haben wiederholte Ausbrüche zu vielen Toten geführt. Das zeigen DNA-Analysen aus 108 Gräbern.

Vor etwa 5300 bis 4900 Jahren erlebte Europa einen dramatischen Bevölkerungsrückgang. Dessen Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Neben Kriegen, Ernteausfällen und Krankheiten wurde vermutet, dass die Pest bereits damals eine tödliche Bedrohung darstellte. Bisher war diese These aber umstritten. Doch nun haben Archäologen herausgefunden, dass es in Skandinavien bereits während der Jungsteinzeit zu mehreren Pestepidemien kam.

Das Forschungsteam um Frederik Valeur Seersholm von der Universität Kopenhagen analysierte dafür die DNA aus den Knochen und Zähnen von 108 Menschen, die in der Jungsteinzeit in Skandinavien lebten. Die Menschen repräsentieren sechs Generationen verschiedener Familien und wurden in acht steinernen Ganggräbern in Schweden und einer sogenannten Steinkiste in Dänemark gefunden.

Seersholm und seine Kollegen suchten in der DNA nach dem Erbgut des Pesterregers Yersinia pestis und anderen Krankheitserregern. Zudem analysierten sie die Verwandtschaftsbeziehungen der Toten. Per Radiokarbondatierung ermittelten sie außerdem das Alter der menschlichen Überreste. Diese Erkenntnisse, die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurden, werfen ein neues Licht auf den Rückgang der Bevölkerung in dieser Epoche.

Einblick in die Steinzeit: Menschen durchleben drei Pestwellen

In 18 der untersuchten Knochenreste fand das Team frühe Varianten des Pesterregers Yersinia pestis, was darauf hindeutet, dass diese Menschen an der Pest starben. Laut des Forschungsteams belegen die Funde außerdem, dass die Pest in der Jungsteinzeit in Skandinavien weit verbreitet war. Neben Yersinia pestis fanden die Archäologen in vier beziehungsweise fünf Prozent der Toten auch die bakteriellen Erreger Yersinia enterocolitica und Borrelia recurrentis. Letzterer wird ebenso wie einige andere Varianten des Pesterregers über Körperläuse übertragen.

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    Laut der Forscher stammen die untersuchten Knochen überwiegend aus einer Zeitspanne, die rund 5200 bis 4900 Jahre zurückliegt. Diese Datierung, zusammen mit den identifizierten Erregervarianten, deutet darauf hin, dass die Menschen in diesem Zeitraum mindestens drei Pestwellen durchlebten. Seersholm und sein Team schlussfolgern aus der Anzahl und Verbreitung der Toten, dass die ersten beiden Pestausbrüche eher klein und lokal begrenzt waren, während der dritte Ausbruch möglicherweise eine größere Epidemie darstellte.

    Die genetischen Merkmale der gefundenen Pesterreger deuten darauf hin, dass die jungsteinzeitlichen Pestausbrüche möglicherweise ansteckender oder tödlicher waren als spätere Epidemien. Der Erreger wies Merkmale seines Vorfahren Yersinia pseudotuberculosis auf, die ihn besonders ansteckend gemacht haben könnten. Das könnte bedeuten, dass die Pest bereits damals das Potenzial hatte, verheerende Epidemien auszulösen.

    Neben den Erkenntnissen zur Pest bot die Studie auch interessante Einblicke in das Familienleben der Jungsteinzeit. Die Analysen zeigten, dass die Gesellschaften nach einer männlich ausgerichteten Abstammungslinie strukturiert waren. Frauen heirateten gelegentlich in benachbarte Gruppen ein, um dort neue Familien zu gründen. Diese sozialen Strukturen könnten ebenfalls zur Verbreitung der Krankheit beigetragen haben.

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