Berlin. Schädlinge bedrohen Europas Pflanzen und machen sie krank. Wie ein Bakterium die europäische Ernten und Landschaften gefährdet.

Europas Bäume sind krank. Während Dürreepisoden und Starkregen weiterhin die Wälder und Felder Europas belasten, reiht sich eine weitere verheerende Folge des Klimawandels ein: die Ausbreitung der Pflanzenkrankheit Xylella fastidiosa. Das erstmals im Oktober 2013 in Apulien, Italien, nachgewiesene Bakterium breitet sich wie ein Lauffeuer aus und bedroht die Ernten und Landschaften der Europäischen Union.

Was hinter der Pflanzenkrankheit Xylella fastidiosa steckt

Xylella fastidiosa ist eine Bakterienart, die sich zunehmend in andere EU-Länder ausbreitet. Es handelt sich um ein Pflanzenpathogen, das eine Vielzahl von Pflanzenkrankheiten verursacht. Dazu zählen die Pierce‘sche Krankheit der Rebe, die Oleander-Blattnekrose und das Feuerbakterium des Pfirsichs.

Das Bakterium wird durch Insekten, insbesondere Zikaden, übertragen, die es beim Saugen an infizierten Pflanzen aufnehmen und dann an gesunde Pflanzen weitergeben. Die Bekämpfung gestaltet sich schwierig, da viele verschiedene Insektenarten beteiligt sind und infizierte Pflanzen oft monatelang keine Symptome zeigen.

Xylella fastidiosa besiedelt das Gefäßsystem der Pflanzen und verursacht Symptome wie Blattvergilbung, Welke, Blattfall und letztendlich das Absterben der Pflanze. Diese Krankheit kann sowohl landwirtschaftliche Ernten als auch Zierpflanzen befallen und erhebliche wirtschaftliche Verluste verursachen.

Ein von Xylella fastidiosa befallene Olivenbäume in Apulien, Italien.
Ein von Xylella fastidiosa befallene Olivenbäume in Apulien, Italien. © Leonardo Cendamo | Leonardo Cendamo

Droht Europa ein großes Pflanzensterben?

In den letzten Jahren hat Xylella fastidiosa in Europa große Besorgnis ausgelöst, da es eine Bedrohung für zahlreiche Pflanzenarten darstellt, darunter Olivenbäume, Weinreben, Zitrusfrüchte, Feigen und Lavendel, wie die EU-Kommission zusammenfasst.

Besonders betroffen ist der europäische Süden. „Zu den stark gefährdeten Regionen gehören die Mittelmeerküstengebiete Spaniens, Griechenlands, Italiens und Frankreichs, die atlantischen Küstengebiete Frankreichs, Portugals und Spaniens sowie die südwestlichen Regionen Spaniens und das Tiefland in Süditalien“, heißt es in einer Studie über die Bakterienart aus dem Jahr 2019.

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So verstärkt der Klimawandel die Pflanzenkrankheit

Dr. René Glenz vom Julius-Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen betont, dass die genaue Verbreitung innerhalb Europas noch ein laufender Forschungsprozess ist und jährlich neue befallene Pflanzen festgestellt werden.

Der Wissenschaftler erläutert weiter, dass die Veränderungen des Klimas durch den Klimawandel die Ausbreitung und das Wachstum von Xylella fastidiosa verstärkt. „Schäden in Verbindung mit Xylella fastidiosa werden weltweit hauptsächlich in Gegenden mit warmen Temperaturen, also heißen Sommern und milden Wintern, festgestellt. Das Schadpotential von Xylella fastidiosa ist derzeit besonders für die südlichen Länder Europas ausgeprägt.“

Warme Temperaturen und entsprechende Umweltfaktoren würden die Vermehrung des Bakteriums in der Pflanze begünstigen, erklärt Dr. Glenz. Außerdem sorgen sie dafür, dass die Insekten, die das Bakterium verbreiten, lange aktiv bleiben. Dadurch breitet sich das Bakterium stärker aus.

„Eine durch den Klimawandel bedingte Erwärmung sowohl im Winter als auch im Sommer erhöht das Risiko, das von dem Bakterium für verschiedene Pflanzen ausgeht. Darüber hinaus könnten klimawandelbedingte Wetterextreme, in Form von Trocken- und Hitzeperioden, auch die Ausprägung und Stärke von Schäden, die durch das Bakterium verursacht werden, verstärken“, erklärt Dr. Glenz.

Klimamodellierung und Pflanzenkrankheiten

Die Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen hängt von Faktoren, wie Temperatur, Niederschlag und Pflanzenarten ab. Der Forscher erläutert: „Bei vielen Pflanzenkrankheiten und Schadorganismen kann eine Klimamodell vorgenommen werden, um zukünftige Entwicklungen besser abschätzen zu können, dennoch sind die Zusammenhänge zu komplex, um genau vorherzusagen, wie sich einzelne Schaderreger auf bestimmte Ökosysteme auswirken werden.“

Bereits jetzt könne eine Ausbreitung wärmeliebender Arten Richtung Norden festgestellt werden. Der Forscher nimmt an, dass das in Zukunft weiter zunimmt. „Das bedeutet auch, dass Schadorganismen, die heute in Mitteleuropa hohe Relevanz besitzen, ebenfalls ihr Verbreitungsgebiet weiter nach Norden verlagern können oder andernfalls an Bedeutung verlieren.“

Die Anpassung von landwirtschaftlichen Systemen an veränderte Klimabedingungen ist möglich, zum Beispiel durch die Wahl anderer Pflanzen oder neuer Bewässerungsmethoden. In natürlichen Ökosystemen sind jedoch tiefgreifende Veränderungen durch den Klimawandel zu erwarten.

Pflanzengemeinschaften und die Organismen, die mit ihnen zusammenleben, sind oft auf spezielle Umweltbedingungen angewiesen und können nicht immer in andere Gebiete ausweichen. Mit zunehmendem Klimawandel ist es daher wahrscheinlich, dass ganze Pflanzengemeinschaften verloren gehen. Deshalb sei es besonders wichtig, Pflanzen in verschiedenen Ökosystemen vor zusätzlichen Belastungen durch nicht heimische Schädlinge zu schützen, sagt der Experte

Andere durch den Klimawandel verstärkte Pflanzenkrankheiten

Neben Xylella fastidiosa gibt es weitere Pflanzenkrankheiten, die durch den Klimawandel verstärkt werden könnten und die europäischen Ökosysteme beeinflussen. Dr. Glenz nennt den Kiefernholznematoden Bursaphelenchus xylophilus als Beispiel.

Barcelona und die umliegenden Gebiete im Nordosten Kataloniens bereiten sich inmitten einer historischen Dürre, die die Reservoirs auf ein Rekordtief hat schrumpfen lassen, auf strengere Wasserbeschränkungen vor. Experten sagen, dass die Dürre durch den Klimawandel verursacht wird und dass sich die gesamte Mittelmeerregion in den kommenden Jahren schneller erwärmen wird als viele andere Regionen.
Barcelona und die umliegenden Gebiete im Nordosten Kataloniens bereiten sich inmitten einer historischen Dürre, die die Reservoirs auf ein Rekordtief hat schrumpfen lassen, auf strengere Wasserbeschränkungen vor. Experten sagen, dass die Dürre durch den Klimawandel verursacht wird und dass sich die gesamte Mittelmeerregion in den kommenden Jahren schneller erwärmen wird als viele andere Regionen. © DPA Images | Emilio Morenatti

„Der Nematode stammt ursprünglich aus Nordamerika und wurde 1999 erstmalig in Portugal festgestellt. Während der Nematode in Nordamerika keine nennenswerten Schäden verursacht, reagieren in Europa heimische Kiefern extrem empfindlich auf einen Befall. Liegen die Monatsmitteltemperaturen im Juli und August über 20°C, kommt es zur Kiefernwelke. Betroffene Bäume sterben innerhalb kürzester Zeit ab.“

Durch den Klimawandel treten in Mitteleuropa immer häufiger Schäden an Kiefern auf, verursacht durch Trockenheit, Hitze, Stürme, Borkenkäfer und Waldbrände. Das fördere nicht nur die Vermehrung des Kiefernholznematoden, sondern auch die seines Überträgers, des Bockkäfers der Gattung Monochamus, erklärt Dr. Glenz.

Die Rolle des internationalen Handels

Der internationale Handel spielt bei der Verbreitung von Xylella fastidiosa und anderen Schädlingen eine wesentliche Rolle.  Dr. Glenz erklärt: „Das betrifft sowohl die Einfuhr infizierter Pflanzen als auch infizierter Vektoren, die an Pflanzenmaterial miteingeschleppt werden können.“

Dabei wird auf Kontrollen und Test der gesendeten Pflanzen gesetzt. Das ist allerdings nicht ganz einfach: Das Bakterium kann oft in einem Zustand sein, in dem es nicht aktiv und daher schwer zu erkennen ist. Außerdem ist es schwierig, das Bakterium in vielen verschiedenen Pflanzenarten zu finden, da die Tests dafür kompliziert und herausfordernd sind.

Ein weiteres Risiko: Privatpersonen, die aus Urlaub und Reisen Pflanzen mitbringen. So können infizierte Pflanzen unbemerkt in neue Gebiete gelangen und andere Pflanzen anstecken. Dr. Glenz berichtet von einem Vorfall in Deutschland im Jahr 2016, bei dem Xylella fastidiosa in einer privaten Oleanderpflanze entdeckt wurde, die zum Überwintern in einer Gärtnerei untergebracht war. Der Ursprung der Pflanze konnte nicht nachverfolgt werden, doch nach entsprechenden Maßnahmen gilt der Befall als beseitigt.

So will die EU den Schädlingsbefall bekämpfen

In der EU gelten Regeln, die sicherstellen, dass Waren schon in den Ländern, aus denen sie kommen, auf Schädlinge und Krankheiten untersucht und behandelt werden. Internationale Standards für Pflanzenschutz und das Internationale Pflanzenschutzübereinkommen (IPPC) seien dabei besonders wichtig.

Neben den rechtlichen Regelungen gibt es auch internationalen wissenschaftlichen Austausch. Die Pflanzenschutzorganisation für Europa und den Mittelmeerraum (EPPO) bietet eine Plattform für den Austausch von Wissen und die Aktualisierung von Standards. Die Verbreitung von Schädlingen und aktuellen Risiken wird durch Meldesysteme und regelmäßige Diskussionen im Ständigen Ausschuss für Pflanzengesundheit überwacht.

Langfristige Auswirkungen auf europäische Ökosysteme

Die langfristigen Auswirkungen von Xylella fastidiosa auf europäische Ökosysteme sind laut Experte schwer abzuschätzen und hängen von den betroffenen Ökosystemen ab. In landwirtschaftlichen Systemen, insbesondere bei Monokulturen, könnten erhebliche Schäden auftreten, wenn günstige Bedingungen für die Ausbreitung des Bakteriums vorliegen.

In natürlichen Ökosystemen, die weniger durch den Menschen beeinflusst sind, seien die Auswirkungen weniger klar, erklärt Dr. Glenz. Hier könnten geschädigte Pflanzen auftreten, aber signifikante und langfristige Veränderungen sind eher unwahrscheinlich, besonders wenn man klimabedingte Änderungen außer Acht lässt.

Xylella hat die Olivenbäume in Italien, einem der weltweit größten Exporteure von Olivenöl, dezimiert.
Xylella hat die Olivenbäume in Italien, einem der weltweit größten Exporteure von Olivenöl, dezimiert. © Getty Images | Donato Fasano

Anpassung der Anbaumethoden und Pflanzenarten

In der Landwirtschaft gibt es verschiedene Maßnahmen, die der Verbreitung der Krankheit entgegenwirken sollen. Dazu gehören:

Züchtung von Resistenten Sorten: „Bezogen speziell auf Xylella fastidiosa wurden nach den ursprünglichen Schäden an Oliven in Süditalien tolerantere Sorten in Bezug auf das Bakterium getestet und werden seitdem angebaut“, sagt Dr. Glenz.

Vermeidung von Monokulturen: Der Anbau von verschiedenen Pflanzensorten und die Anpassung der Fruchtfolge könne helfen, das Risiko zu verringern.

Bekämpfung von Insektenpopulationen: Mechanische Methoden wie das Entfernen von Wirtspflanzen oder biologische Methoden zur Bekämpfung von Insekten können wirksam sein. „Für die Bekämpfung der Ausbreitung bei Olivenbäumen wurden auch Netze oder die Verhüllung der Bäume während der Flugzeit der Vektoren angewandt“, so der Experte.

Einhaltung von Hygienemaßnahmen: Bei geschütztem Anbau seien Hygiene und Desinfektion von Werkzeugen und Substraten wichtig, um die Ausbreitung zu verhindern.

Gesundes Pflanzgut verwenden: Insbesondere bei neuen oder wenig verbreiteten Krankheiten helfe die Verwendung von gesundem Pflanzmaterial, das Risiko der Einschleppung zu verringern. Der Wissenschaftler erklärt jedoch: „Eine absolute Sicherheit ist nicht möglich. Deshalb ist es für Unternehmer ebenso wichtig Anbaumethoden genau zu überwachen und frühzeitig zu reagieren, wenn auffällige Schäden auftreten.“