Essen. Die Zukunft in den Krankenhäusern muss digitaler werden – zwei Experten erklärten bei einer Diskussion in Essen, was das für Patienten bedeutet
Wie krank ist das Krankenhaus? Eine provokante Frage, auf die sich erfreulich viele, meist ältere Besucher bei einem vom Klartext Verlag veranstalteten Diskussionsabend im Funke Medienhaus von Prof. Dr. Jochen A. Werner, Chef des Essener Universitätsklinikums, und dem Gesundheitsökonomen Prof. Dr. David Matusiewicz eine ausführliche Antwort erhofften. Doch anstatt an den Symptomen altbekannter Schwächen des heimischen Gesundheitssystems herumzudoktern, präsentierten der Mediziner und der vom erfrischend lockeren Moderator Hajo Schumacher launig als „knallharter Kapitalist“ vorgestellte Wirtschaftsexperte ihre Vision einer digitalen Zukunft für Patienten, Ärzte und Krankenhäuser.
Professor Jochen Werner fordert Pflichtnutzung der elektronischen Patientenakte
Gelassen benannte Prof. Werner die vielen Vorteile der Digitalisierung – von besserer, weil KI-basierter Diagnostik, über die Entlastung der Pflegekräfte bis hin zur Elektronischen Patientenakte (EPA) mit sämtlichen jemals gestellten Befunden zur optimalen Versorgung. Symptomatisch: Jeder im Saal würde die akzeptieren, aber niemand wusste, dass es diese EPA bereits seit 2021 gibt. „Sie müssen sich allerdings aktiv selbst dafür entscheiden, das weiß aber keiner“, ärgerte sich der Mediziner, der vehement von der Politik die Pficht-Nutzung mit Widerspruchsrecht einfordert.
Große Ärzte-Tour mit viel Papier
Und dabei Rückendeckung von Prof. Matusiewicz erhielt, der munter von seinen Erlebnissen einer „große Hafenrundfahrt“ genannten Ärzte-Tour berichtete. „Bei jedem bekam ich jede Menge Papier und am Ende fand ich in meinem Stapel auch noch Befunde von Frau Meier.“ Sein Fazit: teurer Wahnsinn, während eine EPA Leben retten könne, weil etwa bei einem Unfall jeder Arzt oder Sanitäter sofort alle Patientendaten einsehen und bewerten kann. Zustimmendes Gemurmel im Saal.
Arzttermin online samt Erinnerung
Und mildes Erstaunen, als die beiden Experten die Zukunft ihrer Gäste skizzierten, quasi als Vorgriff auf ihr neues, im Oktober im Klartext Verlag erscheinendes Buch „Der smarte Patient“. Der sei über seinen Gesundheitszustand bestens orientiert, weil er neben dem Internet auch das Smartphone für sich nutzen werde. „Schon heute bekommen Sie Apps auf Rezept, mit denen Sie etwa Hautveränderungen erkennen oder Schlafstörungen selbst therapieren können“, erklärte Prof. Matusiewicz: „Ihren Arzttermin gibt’s online samt Erinnerung, eine Vorab-Einschätzung ihrer Krankheitssymptome durch KI oder per Ferndiagnose.“
Roboter sollen vorlesen
Während Prof. Werner eine viel stärkere Hinwendung auf die Patienten mit digitaler Unterstützung prognostizierte: „Wir wissen, dass Einsamkeit die Demenz fördert. Warum sollte also nicht ein Roboter einem alten Menschen vorlesen oder mit ihm Quiz spielen? Das klingt erst einmal seltsam, ist aber ungemein hilfreich für den Betroffenen.“
Ihr gemeinsames Fazit: Ohne eine konsequente Digitalisierung, die uns alle als Patienten umfassend einbezieht, wird unser Gesundheitssystem über kurz oder lang kollabieren. Trockener Rat von Prof. Jochen A. Werner: Sagen Sie es Ihrem Land- oder Bundestagsabgeordneten!