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Selten hat Anne Wills Talkshow für so viel Wirbel gesorgt. Nach dem Auftritt einer vollverschleierten radikalen Muslima am Sonntagabend in der ARD diskutieren Zuschauer, Medien und Politiker, ob das erlaubt ist – einer Frau mit extremen Auffassungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Plattform zu geben. Anne Will und der NDR werden dafür heftig kritisiert.
Die ARD verteidigte die Einladung der Schweizerin Nora Illi hinterher. „Die umstrittene Haltung von Frau Illi zum Beispiel zur Problematik der Ausreise von Jugendlichen nach Syrien ist deutlich zutage getreten und heftig debattiert worden“, sagte die verantwortliche NDR-Redakteurin Juliane von Schwerin. Sie sprach von einer „angemessenen wie notwendigen Auseinandersetzung“.
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, ebenfalls Gast der Sendung, sagte zur „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Das war ja nicht meine erste Talkshow, aber eine wirklich denkwürdige. Ich habe mir permanent gesagt: ,Ruhig bleiben! Nur nicht aus der Haut fahren!‘“ Anne Will habe sich mit dem radikalen Islamismus auseinandersetzen wollen. Es sei allerdings fraglich, ob das geklappt habe: „Zweifel sind angebracht.“
Der medienpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marco Wanderwitz, forderte im Gespräch mit dieser Zeitung, die ARD dürfe nicht zur Tagesordnung übergehen. „Es gibt offenbar einen Konsens in den Redaktionen, nicht allen Positionen Platz einzuräumen.“ Dies solle auch für radikale Islamisten gelten. „Irgendwo muss es Grenzen geben.“ Einem Nazi mit Springerstiefeln böten Talkshows ja auch keine Plattform. „Innerhalb der öffentlich-rechtlichen Familie muss jetzt darüber diskutiert werden.“
Auslöserin dieser Debatte ist die 32-jährige Illi, „Frauenbeauftragte des Islamischen Zentralrats Schweiz“ – dahinter verbirgt sich keineswegs ein Dachverband der rund 400 000 Schweizer Muslime, sondern ein relativ kleiner, vom Nachrichtendienst beobachteter radikal-islamischer Verein. Illi, eine wortgewandte Berner Konvertitin und ehemalige Punkerin, hat mit ihren Talkshow-Auftritten schon einige Male Proteste provoziert, vor allem in der Schweiz und in Österreich. Dass sich junge Muslime dem IS anschließen, um in Syrien gegen Assad zu kämpfen, hält sie für Zivilcourage.
Illi provozierte viele Zuschauer mit ihren streitbaren Aussagen: „Muslime sind weltweit massivsten Repressionen ausgesetzt.“ Das trage zur Radikalisierung junger Menschen bei. Sie habe Verständnis für Jugendliche, die für den IS kämpfen wollen. Allerdings blendeten sie aus, dass Krieg „eine bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs“ sei. Das wollte der Autor Ahmad Mansour nicht so stehen lassen: „Das ist ein Aufruf, nach Syrien zu gehen. Das kann man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht machen.“
Illi nutzte ihren Auftritt, um ein moderates Bild ihrer Glaubensrichtung zu zeichnen. Ihren Niqab trage sie gerne, der Islam sei besonders frauenfreundlich: Muslima könnten sich so auf ihre Rolle konzentrieren und „müssen nicht den Spagat zwischen Familienfrau und Karrierefrau leisten“. Applaus erhielt sie dafür vornehmlich von den mitgebrachten Claqueuren.