Washington. Aus Angst vor Bioterrorismus hat die US-Regierung Forschungsergebnisse zu Vogelgrippeviren zensiert. Forscher wurden aufgefordert, ihre Studien nicht vollständig zu veröffentlichen. Nach Angaben der Regierung könnten die Ergebnisse zur Entwicklung einer gefährlichen Biowaffe genutzt werden.
Zensur aus Angst vor Bioterrorismus: In einem bisher beispiellosen Schritt hat die US-Regierung Wissenschaftler aufgefordert, ihre Forschung zum Vogelgrippevirus H5N1 nicht vollständig zu veröffentlichen. Sie befürchtet, Terroristen könnten die Informationen für die Entwicklung einer gefährlichen Biowaffe benutzen. Bei der Arbeit von Virologen aus den Niederlanden und den USA geht es um die Züchtung einer H5N1-Variante, die leicht von Säugetier zu Säugetier - also möglicherweise auch von Mensch zu Mensch - übertragen werden kann.
Die Forschung war sogar von offizieller amerikanischer Seite unterstützt worden. Die Aufforderung an die Wissenschaftler und die Magazine "Science" und "Nature", Teile der Arbeit nicht zu veröffentlichen, sei keine einfache Entscheidung gewesen, erklärte Anthony Fauci, beim Nationalen Institut für Gesundheit zuständig für Infektionskrankheiten.
Erasmus Medical Centre will der Bitte der US-Regierung entsprechen
Die Forscher, Ron Fouchier vom Erasmus Medical Center in Rotterdam und Yoshihiro Kawaoka von der University von Wisconsin in Madison, äußerten sich zurückhaltend. Das Erasmus Medical Center erklärte, das Team sei bereit, der Bitte der US-Regierung zu entsprechen. Zugleich wies die Einrichtung auf die Freiheit der Wissenschaft hin. "So etwas ist noch nie vorgekommen", kommentierte sie die Anfrage. Die University von Wisconsin äußerte sich ähnlich, verwies auf die Bedeutung, die die Forschungsergebnisse für die öffentliche Gesundheit, für den Kampf gegen die Ausbreitung der Vogelgrippe hätten.
"Science"-Chefredakteur Bruce Alberts bestätigte am Dienstag offiziell, dass das Magazin gebeten worden sei, nur einen Teil der Forschungsarbeit zu veröffentlichen. Man habe große Bedenken, die Informationen der Öffentlichkeit vorzuenthalten, erklärte er. Zugleich betonte er, man nehme die Befürchtungen sehr ernst, dass die Daten in die falschen Hände geraten könnten.
Übertragung von Frettchen zu Frettchen
Er rief die US-Behörden seinerseits auf, ein System zu schaffen, mit dessen Hilfe zumindest den Fachleuten die kompletten Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt werden könnten, insbesondere denen in den von der Vogelgrippe besonders stark betroffenen Gebieten wie China oder Indonesien. Bis es eine solche Möglichkeit gebe, wolle er keine abgespeckte Version der Arbeit veröffentlichen.
"Nature"-Chefredakteur Philip Campbell erklärte ebenfalls, dass die kompletten Ergebnisse der Forschungswelt zugänglich gemacht werden müssten. Es werde derzeit diskutiert, wie dies ermöglicht werden könne.
Weltweit sind insbesondere Federtiere mit dem tödlichen Erreger H5N1 infiziert. Bislang waren Menschen nur in Einzelfällen betroffen, man spricht von etwa 600 Fällen, die zu 60 Prozent tödlich endeten. Das liegt daran, dass sich der Erreger kaum auf Menschen überträgt. Den Forschern um Fouchier und Kawaoka gelang die Züchtung einer Variante, die sich ganz leicht von Frettchen zu Frettchen übertrug.