Wie kommt ein Blumenkübel zu Weltruhm? Warum gibt es Tage, an denen einem sieben Freunde dasselbe Video mailen? Warum hoffen Werbeleute, dass ihr Spot funktioniert wie ein Grippe-Erreger? Zur Auflösung reicht ein Wort: viral.
Eine kleine Meldung in einem kleinen Ort, die zum weltweiten Netzphänomen wird: Was in diesen Tagen aus einem umgekippten Blumenkübel wird, mag mit dem Sommerloch zu tun haben. Vor allem aber zeigt es, wie sehr das Internet als Durchlauferhitzer und Informationsteilchen-Beschleuniger funktioniert.
Um das zu erklären, müssen heute mal die Franzosen herhalten. Normalerweise sind Netzbegriffe für Franzosen ja Vorlagen zur Nachdichtung, damit aus dem Computer ein ordinateur wird, aus der Software ein logiciel und aus der Homepage eine page d’accueil. Wir Deutschen spendieren englischen Begriffen beim Eingemeinden einen Großbuchstaben, die Franzosen stiften komplette neue Begriffe.
Viral heißt viral heißt viral - auf Deutsch, Englisch und Französisch. Wenn etwas viral ist, verbreitet es sich im Netz schnell und mit Eigendynamik, weil die, die damit in Kontakt kommen, es ihrerseits weiterreichen. Solche digitalen Virenträger sieht man im Kino derzeit in „Micmacs - uns gehört Paris“: Darin drehen die Helden ein Video, das zwei korrupte Waffenhändler bloßstellt.
Kaum ist der Film-im-Film im Netz, reichen ihn Leute weiter - im Büro, von Zuhause, mit dem Handy. Die Micmacs sind Fiktion, das Prinzip „Viral“ ist tägliche Netzrealität. Werbeleute träumen davon, mit einem Spot so für Gesprächsstoff zu sorgen, dass die, die ihn sehen, ihn gratis weiterreichen. Um zu zeigen, dass sie selber mitreden können, oder um andere zu haben, mit denen sie über den Clip, das Foto, den Text reden können.
Beim Blumenkübel kommt die Freude am Banalen hinzu. Die „Fassungslosigkeit“, mit der im ursprünglichen Text einer Lokalzeitung Menschen auf einen umgekippten Pott samt Pflanze reagieren, ist die perfekte Vorlage zur Kritik an medialem Hype. Denn wer braucht schon einen Sack Reis in China, wenn es vor der eigenen Haustür eine so viel nähere Variante gibt, die zur gespielten Betroffenheit einlädt?
Netznutzer überspitzen immer weiter, machen aus Vandalismus eine Krise mit mindestens deutschlandweiten Dimensionen. Der Blumenkübel als Beinahe-ZDF-Spezial. Als Werbe-Parodie. Als Leser-Aktion. Als dramatische Lesung. Was als erster Gehversuch einer Journalismus-Einsteigerin begann, verwirrt schließlich sogar Menschen in den USA, denen aufgefallen ist, wie oft das Schlagwort „Blumenkübel“ bei Twitter auftaucht.
Viral ist viral ist viral, aber nicht zwingend digital. Viral kann auch ein Witz sein, wenn er gut genug ist zum Weitererzählen. Kommt ein Cowboy vom Friseur - Pony weg. Funktioniert allerdings nicht auf Französisch. Und der Blumenkübel? War am Donnerstag Abend schon wieder aus den meistgenutzten Twitter-Begriffen verschwunden. Verdrängt durch die neue Frisur von Schauspielerin Emma Watson. Dabei hätte es doch weitere, schockierende, ähnlich gelagerte Fälle gegeben. Aber das Sommerloch ist ja noch lang.