Ibbenbüren. Wegen eines eintägigen Schulverweises soll ein 17-Jähriger seine Berufsschullehrerin erstochen haben. Zuvor ist er schon aggressiv aufgefallen.
Nach der Tötung einer Lehrerin im münsterländischen Ibbenbüren zeichnen sich Schulprobleme als mögliches Motiv des verdächtigen Schülers ab. Gegen den 17-Jährigen sei nach einer Reihe von Konflikten mit Lehrern am Dienstag von der Schulleitung ein eintägiger Schulverweis verhängt worden, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch mit. Dies haben die Zeugenbefragungen der Mordkommission ergeben
Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilten, wurde gegen den Schüler wegen des Verdachts des Totschlags Untersuchungshaft angeordnet. Ein Richter habe am Mittwochabend einen Haftbefehl wegen Verdachts auf Totschlags erlassen, teilten Staatsanwaltschaft und Polizei am Donnerstag in Münster mit. Die Obduktion des Leichnams der 55-jährigen Lehrerin habe ergeben, dass die Frau durch den hohen Blutverlust aufgrund der zahlreichen Stichverletzungen verstorben ist.
Der 17-Jährige soll die Lehrerin am Dienstagnachmittag um 15 Uhr in der Schule in Ibbenbüren aufgesucht haben, wo die 55-Jährige zu dem Zeitpunkt allein in einem Klassenzimmer war. Dort soll der Schüler die Frau mit einem Messer angegriffen und getötet haben.
Lehrerin in Ibbenbüren umgebracht: Schüler festgenommen
Anschließend hatte der Junge den Notruf gewählt und sich von Polizisten widerstandslos festnehmen lassen. Der Jugendliche hat sich bislang nicht zur Tat geäußert. Für ihn ist ein Pflichtverteidiger bestellt worden. An dem Berufskolleg war am Dienstag ein größeres Polizeiaufgebot angerückt. Neben mehreren Streifenwagen trafen auch ein Rettungshubschrauber, ein Krankenwagen und ein Notfallseelsorger ein.
„Der Unterricht ist abgesagt, aber die Schule bleibt geöffnet“, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung in Münster am Dienstag. Die Schüler sollten eine Anlaufstelle haben. Ein Krisen-Interventions-Team, Schulpsychologen und Notfallseelsorger waren vor Ort, um mit der Schulleitung und den Lehrern das weitere Vorgehen zu beraten.
17-jähriger ist schon im Vorfeld aggressiv aufgefallen
Der verdächtige 17-jährige Schüler, der vergangene Woche eine Lehrerin in Ibbenbüren getötet haben soll, war zuvor „durch sein verbal aggressives Verhalten aufgefallen“. Das berichtete die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU) am Mittwoch im Fachausschuss des Düsseldorfer Landtags. Erzieherische Maßnahmen seien erforderlich gewesen. Ob und inwieweit hier ein Zusammenhang mit der Tat bestehe, müssten nun die polizeilichen Ermittlungen ergeben. Die seien allerdings noch nicht abgeschlossen. „Daher können wir noch keine verlässlichen Angaben zum Tatgeschehen machen“, sagte Feller.
Im Schulausschuss warb sie dafür, die Ergebnisse abzuwarten, bevor über Konsequenzen aus der Tat diskutiert werde. Eine solche Debatte sei „zurzeit nicht angebracht“. In dem Zusammenhang dankte die Ministerin ausdrücklich auch den Lehrerverbänden für ihre Besonnenheit. Der Schulausschuss, der seine Sitzung mit einer Schweigeminute zum Andenken an die getötete Lehrerin begonnen hatte, folgte dem Vorschlag der Ministerin und verzichtete am Mittwoch auf eine politische Auseinandersetzung.
Bildungsministerin zeigt sich nach Gewalttat bestürzt
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger hat mit Bestürzung auf die tödliche Gewalttat gegen eine Lehrerin im münsterländischen Ibbenbüren reagiert. „Der gewaltsame Tod der Lehrerin macht fassungslos. Wir müssen alles unternehmen, um Lehrkräfte besser vor Gewalt zu schützen“, sagte sie dem Nachrichtenportal „t-online“. Die FDP-Politikerin fügte hinzu, es sei nicht hinnehmbar, dass Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig beleidigt, bedroht und attackiert würden. NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) zeigte sich auf Anfrage „tief betroffen und erschüttert“. „In ihrer Trauer lassen wir die Schulgemeinde nicht allein“, kündigte sie an. Ein Notfallteam der Schulpsychologen werde sie langfristig begleiten.
„Unser von Herzen empfundenes Beileid gilt den Angehörigen, Kollegen und Schülern. Wir wünschen allen viel Kraft in diesen schweren Stunden“, hieß es am Mittwoch von Ibbenbürens Bürgermeister Marc Schrameyer (SPD). „Unser Respekt und unsere Hochachtung gilt allen beteiligten Einsatzkräften, die eine sehr schwierige Situation mit viel Umsicht gemeistert haben.“
Lehregewerkschaft spricht ihre Anteilnahme aus
Die Lehrergewerkschaft VBE sprach den Hinterbliebenen ihre Anteilnahme aus. „Einen Menschen anzugreifen und zu töten ist ein feiger Akt und zeugt von blindem Hass und tiefer Respektlosigkeit“, erklärte der VBE-Bundesvorsitzende Gerhard Brand am Donnerstag in Berlin. Zugleich forderte Brand, vor weiteren Bewertungen die Ermittlungsergebnisse abzuwarten. Effekthascherische und populistische Äußerungen seien „hier vollkommen fehl am Platz“. Der Fall in Ibbenbüren sei „nicht beispielhaft“. Er sei „von einer Härte und Brutalität geprägt, die nicht in der Reihe der Vorfälle zu sehen sind, die wir in unseren Studien ermittelt haben“.
Brand verwies auf die jüngste VBE-Studie vom November, nach der fast zwei Drittel der befragten Schulleitungen gemeldet hätten, dass es innerhalb der vergangenen fünf Jahre Fälle psychischer Gewalt in Form von Beleidigungen, Bedrohungen oder Belästigungen an ihrer Schule gegeben habe. Gut ein Drittel der Schulleitungen wisse, dass Lehrkräfte Opfer von Cybermobbing geworden seien. Ebenfalls ein Drittel habe angegeben, dass es in den vergangenen fünf Jahren zu gewalttätigen körperlichen Angriffen auf Lehrkräfte oder Schulleitungen gekommen sei. Insgesamt wurden 1.308 Schulleitungen vom Meinungsforschungsinstitut Forsa befragt. (AFP/dpa/epd)