Hamburg. War es ein Baumstamm, der Stamm eines Windrads oder doch eine Rakete? An der Ostseeküste rätseln Experten über einen mysteriösen Schiffsunfall des Frachters “Johanna“ Der hat seit wenigen Tagen zwei Löcher im Bug - und niemand weiß, woher sie kommen. Die Bundesmarine lehnt jede Verantwortung ab.
Mysteriöser Zwischenfall in der Ostsee: Wenige Tage vor Heiligabend ist der Hamburger Frachter „Johanna“ von einem massiven Gegenstand getroffen worden. Ein schweres Geschoss? An der Küste blühen die Spekulationen.
MS Johanna, ein moderner 110 Meter langer Containerfrachter der Stader Reederei Vöge, liegt derzeit in einem finnischen Hafen zur Reparatur. Ganz vorne im Bug klafft rechts ein rundes Loch: 1,10 Meter im Durchmesser, Kante nach innen gebogen. Auch 1,10 Meter groß und rund ist das Loch schräg oben im Deck auf der anderen Seite. Hier ist die Kante nach außen gestülpt. Das Hamburger Abendblatt zitiert einen Experten der Reederei: „Glatter Durchschuss“.
Kann ein Baumstamm ein Loch in ein Schiff bohren?
Ein Durchschuss? Was genau hat die „Johanna“ getroffen? Ein Baumstamm? Ein Meteorit? Oder ein Torpedo oder eine Rakete, deren Sprengköpfe nicht scharf waren? Vielleicht hat es auch, lange vorher, eine Kollision in einem Hafen gegeben?
An der Küste zwischen Mecklenburg und Dänemark, wo es zu dem Zwischenfall gekommen sein soll, blühen derzeit viele solche wilden Spekulationen. Schon zum Zeitpunkt gibt es unterschiedliche Angaben. Die Bundespolizei See geht von einer „Tatzeit“ am 18. Dezember aus. Der Reeder habe sich am 20. Dezember gemeldet.
Reederei geht von militärischem Unfall aus
Die Reederei von „Johanna“, die berichtet, ihre Seeleute hätten durch die Löcher direkt in die See gucken können, tippt auf einen militärischen Unfall. Das allerdings wäre brisant. Denn die Kadet-Rinne gilt als eine der meist befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt. Zahllose Fähren, Frachter und – hochgefährlich – beladene Tankschiffe verbinden durch diese Meerenge den Westen Europas mit Schweden, Finnland, dem Baltikum und Russland. Ein Volltreffer auf einem Tanker hätte nicht nur eine Explosion zur Folge gehabt, sondern eine Ölpest in der ganzen Ostsee. Das Gebiet ist für Marine-Schießübungen also absolut tabu. Die Bundesmarine beteuert überdies, über so starke Raketenkaliber, wie sie 1,10 Meter große Löcher reißen könnten, gar nicht zu verfügen.
Der Ort der rätselhaften Begegnung liegt zwar nicht in deutschem Hoheitsgewässer, aber in der zu Deutschland gerechneten Außenwirtschaftszone. So hat das Wasser- und Schifffahrtsamt Stralsund die Regie über die Untersuchungen gemeinsam mit finnischen Behörden, weil das Schiff derzeit einen finnischen Hafen angelaufen hat.
Polizei hält sich mit Beurteilung zurück
In Polizeikreisen wird die Version eines Raketentreffers nur mit spitzen Fingern angefasst. Tatsächlich seien verschiedene Ursachen für das Entstehen der merkwürdigen Löcher möglich.
„In diesem Seegebiet wird viel gebaut“, sagt auch ein Sicherheitsexperte. Zum Beispiel ganz in der Nähe ein riesiger Windpark. Denkbar, dass sich dort der Stamm eines Windrades gelöst hat - und dann unglücklicherweise den Weg von MS „Johanna“ kreuzte.