Wir sind das Volk, und wir lieben unsere Volksschauspieler. Die ganz Großen wurden zum Kult, etwa Inge Meysel, die aufopferungsvolle Mutter der Nation, oder Willy Millowitsch, der unverwüstliche Rheinländer. Meist sind sie komisch, unsere Volkshelden, manchmal scharf an der Grenze zur Knallcharge, dann lachen wir gern mit ihnen. Zuweilen haben sie verdammtes Pech und gucken melancholisch drein, aber auch da erkennen wir uns wieder und nicken.
Wolfgang Stumph wiederum will nicht so recht in dieses Schema passen. Ist nicht richtig lustig und fidel, aber auch kein leiderprobtes Stehaufmännchen – am ehesten vielleicht der gemütliche Sachse, und den hatten wir hier ja bis dato noch nicht. Dennoch wurde Stumph in den letzten 20 Jahren zu einem der beliebtesten (gesamt!)deutschen Schauspieler, und deshalb kommt Wehmut auf, wenn sich eine seiner besten Figuren nun vom Bildschirm verabschiedet. Kommissar Stubbe, der sich seit 20 Jahren „Von Fall zu Fall“ hangelt, geht nach 50 Folgen in Pension.
Gleich drei Abende schenkt ihm das dankbare ZDF zum Abschied. Zum Auftakt gibt es natürlich eine zünftige Weihnachtsgeschichte („Tödliche Bescherung“ am 21. Dezember um 20.15 Uhr), es folgt „Der König ist tot“ (4. Januar, 20.15 Uhr), und endgültig Schluss ist mit dem „Mordfall Maria“ (18. Januar, 20.15 Uhr). Die Fälle sind wie immer aus solidem Holz, nicht unspannend, nicht überkandidelt, aber auch nicht albern, irgendwie ganz normal, und deshalb passen sie gut zu diesem Stubbe, dessen Vornamen auch der langjährige Kollege Zimmermann erst in der allerletzten Folge erfährt.
20 Jahre an der Alster,aber immer noch ein Außenseiter
Ein bisschen blieb er ja auch ein Außenseiter, dieser Sachse, der vor 20 Jahren mit Sack und Pack wegen einer Erbschaft nach Hamburg zog. An der hanseatischen Kühle rieb er sich stets ein bisschen, der Stubbe, und vielleicht auch deshalb ging er weniger mit den Kollegen, sondern lieber mit der ganzen Familie auf Verbrecherjagd. Tochter „Chrissy“ Christiane wurde dabei gespielt von Stumphs Tochter Stephanie, und wir durften sie so vom Sandkasten über die erste Liebe bis zur Geburt der Enkeltochter verfolgen, auch das gehört mit dazu bei einem anständigen Volkstheater, siehe den Millowitsch-Clan. Aber auch Tante Charlotte sollten wir nicht vergessen, ein wenig „st“eif, und dennoch natürlich herzensgut, und sicherlich Marlene, die Kollegin, die nach dem Tod der geliebten Ehefrau in Stubbes Leben trat.
Dass ein Kriminalkommissar aus der DDR in den Westen zog, war übrigens damals noch eine Sensation. Meistens war es andersrum in den ersten Jahren nach dem Fall der Mauer.
Zum Stubbe-Abschied haben sich Schauspieler-Freunde eingefunden wie etwa Ben Becker, Charles Brauer oder Heinrich Schafmeister, der in der allerletzten Folge einen Sekundenauftritt als Möbelpacker übernimmt, ein kleiner Gag, über den sich Wolfgang Stumph sehr gefreut hat: „Ich wusste nichts davon und war total überrascht!“
Nun geht er in Pension, der sächselnde Kommissar. Vielleicht folgt er Freundin Marlene, die nach Dresden versetzt wird. Genau weiß man das nicht, denn platte Happy-Ends hat Stumph, der gelernte Kabarettist, immer verabscheut. Vielleicht gibt es doch noch ein Comeback – wir wären bereit!