Giglio/Essen.. Nach dem Kapitän gerät die Führung der „Costa-Gruppe“ ins Visier der Ermittler. Ex-Bordfotograf berichtet von einem Unfall 2005.

Die Sicht ist schlecht, die Aufgabe lebensgefährlich. Zwischen herumschwimmenden Schränken, sich auflösenden Sofas, aufgequollenen Broten und Müll suchen die „Palombari“, die Kampftaucher der italienischen Marine, in der 290 Meter langen „Costa Concordia“ auch am Mittwoch nach 17 vermissten Menschen. 16 haben sie schon gefunden. Am Dienstagnachmittag die vorerst letzte. Eine tote Frau auf Deck drei. Wie lange diese Tauchgänge des Schreckens noch andauern werden? Keiner weiß es. „Im Zweifel bis die letzte Leiche geborgen wurde“, sagt ein deutscher Feuerwehrmann mit Kampftaucher-Ausbildung.

Nicht nur nach Toten wird gesucht. Sondern auch nach Ursachen für „den größten Unfall in der Geschichte der internationalen Kreuzfahrt“, wie ihn Christoph von Lieven, Meeresbiologe bei Greenpeace, nennt. Am Mittwoch gerät nach dem Kapitän der Francesco Schettino, die Reederei „Costa Crociere“ in den Focus der Ermittler.

Die römische Tageszeitung „La Repubblica“ hatte am Morgen ein Telefongespräch zwischen dem Kapitän und seinem Freund Fabrizio veröffentlicht. Ein Tag nach der Katastrophe sagt Schettino: „Die sind mir auf den Sack gegangen, fahr da vorbei, also bin ich da lang gefahren, um auf den Manager zu hören.“

Staatsanwaltschaft denkt um

Der italienische Kreuzfahrtanbieter gibt Schettino die alleinige Schuld an dem Unglück. Bislang werden lediglich der Kapitän und sein Stellvertreter Ciro Ambrosio in dem Fall strafrechtlich verfolgt. Doch die Staatsanwaltschaft denkt um.

Chefankläger Francesco Verusio erklärte, die Untersuchung dürfe sich nicht nur auf den Kapitän konzentrieren. Auch wenn der sich nach der Katastrophe in Widersprüche verwickelte, keineswegs „aus Versehen“ in einem Rettungsboot landete. Zu laut werden die Klagen über die Missstände an Bord, die auch die Reederei zu verantworten hat. Defekte Rettungsboote, hilfloses Personal, keine Evakuierungsmaßnahmen. Bei der Polizei sagt Schettino aus, er habe einen Vertreter der Reederei am Abend des Unfalls, noch von der Brücke aus, angefleht, Hubschrauber für die Evakuierung der Passagiere zu schicken. In Italien wird jetzt darüber spekuliert, ob die Verantwortlichen der Reederei sich zunächst einen Überblick über die Kosten der Rettung verschaffen wollten.

Schiff soll Wal gerammt haben

Über einen ähnlichen, allerdings glimpflicher ausgegangenen Zwischenfall mit einem Schwesterschiff berichtet der der frühere Bordfotograf Roberto Capello im britischen „Independant“. 2005 sei die „Costa Fortuna“ 200 Meter vor der Küste Savonas auf Grund aufgelaufen. Capello fotografierte einen Riss in einer Außenwand. Von der Reederei wurde das Bildmaterial konfisziert und öffentlich erklärt: Die „Costa Fortuna“ habe einen Wal gerammt.

In Zeiten von Radar, Tiefenmesser, Kollisionswarngeräten und Satellitenüberwachung dieser schwimmenden Kleinstädte wird die Katastrophe von Giglio nicht verständlich. „Die Costa-Reederei steht im Verdacht, aus Werbungsgründen nah an die Insel herangefahren zu sein“, sagt Kim Dettloff, der drei Jahre auf Giglio gelebt hat und beim Nabu Referent für Meeresschutz ist.

Umweltkatastrophe

Neben der menschlichen Tragödie, die die Havarie der „Costa Concordia“ verursacht hat, rechnet Dettloff auch mit einer Umweltkatastrophe. Selbst wenn die holländische Firma Smit Salvage, die bereits die Bergung des russischen Atom-Bootes Kursk organisiert hatte, die 2400 Tonnen Schweröl aus den Tanks gepumpt haben wird, ist der Nationalpark Toskanisches Archipel bedroht. „Unmengen an Motorölen, Reinigungsmitteln und Plastik werden aus dem Schiff ins Meer gespült. Die gehören nicht ins Wasser“.