Paris. .

Die „Concorde“ war die „Königin der Lüfte“. Mit über 2000 km/h flog sie in gut drei Stunden über den Atlantik: der ganze Stolz der französischen Luftfahrt.

Bis zum 25. Juli 2000, dem Tag, an dem der elegante Wundervogel vor den Toren von Paris vom Himmel fiel und 113 Menschen in den Tod riss – unter ihnen 96 Deutsche und ein Österreicher.

Erst zehn Jahre später hat das Gericht in Pontoise bei Paris die Schuldigen verurteilt: die US-Fluggesellschaft „Continental“ und einen ihrer Mechaniker. Alle französischen Angeklagten kamen mit Freisprüchen davon.

Es ist ein Richterspruch, der allgemein erwartet wurde und zugleich höchst umstritten ist. Continental-Anwalt Olivier Metzner kündigte sogleich an, in Berufung gehen zu wollen. Und nahm kein Blatt vor den Mund. „Das ist ein Urteil im Namen des Patriotismus“, sagte der Pariser Staranwalt.

Die Richter sehen nach achtjährigen Ermittlungen und dem vier Monate langen Prozess folgenden Hergang als erwiesen an: Ein Metallteil, das sich von einer Continental-Maschine Typ DC-10 gelöst hatte, löste eine verhängnisvolle Kettenreaktion aus. Als der Air-France-Jet an jenem 25. Juli 2000 auf dem Pariser Flughafen Charles De Gaulle mit 109 Personen an Bord in Richtung New York startete, zerstörte die so genannte Lamelle die Concorde-Reifen. Herumfliegende Reifenteile rissen daraufhin Löcher in die Treibstofftanks in dem mächtigen Delta-Flügel. Große Mengen Kerosin schossen heraus und verwandelten das Flugzeug in Sekundenschnelle in einen fliegenden Feuerball. Nur anderthalb Minuten nach dem Start krachte Air-France-Flug 4590 in Gonesse in ein Hotel, in dem vier Bewohner ums Leben kamen.

Wegen „fahrlässiger Tötung“ verurteilte das Gericht Continental nun zu einem Strafbefehl von 200 000 Euro, außerdem muss die US-Airline eine Million Euro Entschädigung an Air France entrichten. John Taylor, der Mechaniker, der die Lamelle wohl nicht vorschriftsmäßig montiert hatte, erhielt eine 15-monatige Bewährungsstrafe.

„Ein in hohem Maße bedenkliches Urteil“, resümiert Ronald Schmid, Anwalt zahlreicher deutscher Hinterbliebener. Der Professor für Luftverkehrsrecht reagiert mit Kopfschütteln auf die Entscheidung. Etliche Augenzeugen hätten die Continental-Version gestützt, wonach die Concorde schon in Flammen stand, bevor sie über das Metallteil raste. Doch seien sie gar nicht angehört worden.

Für weitaus schwerwiegender hält Schmid die gravierende Pannenserie, die dem Concorde-Absturz vorangegangen war. In mindestens fünf Zwischenfällen sei der Überschall-Jet zu Notlandungen gezwungen gewesen. Jedes Mal hätten zerfetzte Reifen die Tragflächen beschädigt und Löcher in die Kerosintanks gerissen – ohne dass eine Lamelle auf der Startbahn lag. Offenbar seien selbst eindringliche Warnungen der US-Luftfahrtbehörde, wonach die Reifenpannen in eine Katastrophe hätten münden können, in den Wind geschlagen worden.

Ohne Bestrafung

Zumindest der Technische Betriebsleiter und der Flugbetriebsleiter von Air France hätten Schmids Ansicht nach ebenfalls auf die Anklagebank gehört. Geschehen sei jedoch das Gegenteil, Air France habe als Nebenkläger fungieren dürfen. Angeklagt waren drei Franzosen, darunter der Chef des Concorde-Programms beim Airbus-Vorgänger „Aerospatiale“ sowie zwei Leitende Angestellte der Luftfahrt-Direktion, aber sie verließen den Gerichtssaal ohne Bestrafung. „Nicht nur das Urteil, auch das Verfahren als solches war patriotisch“, so der deutsche Luftverkehrsrechtler.